Die Wertgrenze i. H. v. 15.500 EUR für „ein geringes Vermögen“ (sog. Schonvermögen) ist für das Streitjahr 2019 nicht zu beanstanden. Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen.

Hintergrund

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2019 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie im Zeitraum 1.1. bis 30.9.2019 geleistete Unterhaltszahlungen an ihren während dieser Zeit auswärts studierenden Sohn (S) i. H. v. 10.537 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Unterhaltszahlungen setzten sich aus Mietzahlungen i. H. v. 3.905 EUR, Zahlungen für den Lebensunterhalt i. H. v. 4.500 EUR (mtl. 500 EUR) sowie für Bekleidung i. H. v. 690 EUR (mtl. 76,69 EUR), Zahlungen für die Kranken- und Pflegeversicherung i. H. v. 1.123 EUR sowie die Zahlung für die Einschreibegebühr der Universität i. H. v. 319 EUR zusammen.

Den Lebensunterhalt (500 EUR) für den Monat Januar überwiesen die Kläger S bereits am 28.12.2018.

Nachdem das Finanzamt die Kläger im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung aufgefordert hatte, die einzelnen Zahlungen sowie das Vermögen des Sohnes durch geeignete Unterlagen nachzuweisen, ergaben sich aus den vorgelegten Bestätigungen der Sparkasse für die Konten des S Saldenstände von 15.950,91 EUR (1.1.2019) bzw. 16.216,95 EUR (30.9.2019).

Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der von den Klägern geltend gemachten Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen ab, weil S ausweislich der Saldenbestätigungen der Sparkasse über mehr als den Betrag von 15.500 EUR verfügt und damit nicht nur ein geringes Vermögen besessen habe.

Das FG folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die erhobene Klage ab.

Im Revisionsverfahren begehrten die Kläger die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen i. H. v. 9.414 EUR sowie Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung ihres Sohnes i. H. v. 1.123 EUR als außergewöhnliche Belastungen.

Entscheidung

Der Gesetzgeber geht typisierend davon aus, dass eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben ist und damit Unterhaltsaufwendungen nicht zwangsläufig anfallen, wenn der Empfänger eigenes, nicht nur geringfügiges Vermögen hat. Denn der Unterhaltsberechtigte steht grundsätzlich in der Pflicht, eigenes Vermögen im Rahmen des Zumutbaren für seinen Unterhalt einzusetzen und zu verwerten, und zwar ungeachtet der Art der Anlage gegebenenfalls auch durch Substanzverbrauch.

Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur ein geringes Vermögen verfügt (sog. Schonvermögen), ist unabhängig von der Anlageart nach dem gemeinen Wert des Vermögens beziehungsweise dessen Verkehrswert zu entscheiden; ein Wert von bis zu 15.500 EUR ist in der Regel gering.

An dieser, von den Finanzbehörden bereits seit 1975 angewandten Wertgrenze, an der sich bislang auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung orientiert hat, hält der BFH auch für das Streitjahr 2019 fest.

Denn ein Vermögen oberhalb dieser Wertgrenze lässt die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers bei typisierender (steuerlicher) Betrachtung auch im Jahr 2019 entfallen. Dies folgt aus dem Umstand, dass dieser Betrag deutlich über dem für den Veranlagungszeitraum 2019 geltenden Grundfreibetrag i. H. v. 9.168 EUR liegt und damit zur Sicherung des (Jahres-)Existenzminimums des Unterhaltsberechtigten ausreicht.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen sind die von den Klägern geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

So ist unstreitig, dass S gegenüber den Klägern im Streitjahr zivilrechtlich unterhaltsberechtigt war. Auch stand weder den Klägern noch einem Dritten für S ein Anspruch auf einen Freibetrag für Kinder oder auf Kindergeld zu.

Überdies verfügte S entgegen der Auffassung des Finanzamts im maßgeblichen Zeitraum vom 1.1. bis 30.9.2019 lediglich über ein geringes Vermögen. Denn auf Basis der vorgelegten Saldenbestätigungen der Sparkasse lag es nach Bereinigung um Unterhaltsleistungen unterhalb der nach den vorstehenden Ausführungen maßgeblichen Wertgrenze von 15.500 EUR.

Unterhaltsleistungen sind nicht in die Berechnung des Vermögens einzubeziehen. Denn es handelt sich hierbei um die notwendigen Mittel zur Deckung des Lebensbedarfs. Sie sind zum Verbrauch bestimmt und nicht zur Vermögensbildung vorgesehen. Unterhaltszahlungen lassen die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers nicht entfallen, sie sind ihr vielmehr geschuldet. Dies gilt auch für solche Unterhaltszahlungen, die vom Unterhaltsempfänger bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums beziehungsweise bis zum unterjährigen Ende der gesetzlichen Unterhaltspflicht angespart und noch nicht verbraucht werden. Gesetzliche Unterhaltszahlungen, die dazu gedacht sind, eine zivilrechtlich unterhaltsberechtigte Person dazu zu befähigen, die Kosten ihres Lebensunterhalts zu bestreiten, können vor diesem Hintergrund nicht bereits im Zeitpunkt des Zuflusses dem (abzugsschädlichen) Vermögen zugeordnet werden.

Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Unterhaltsleistungen regelmäßig nicht monatsgetreu, sondern im Jahresverlauf schwankend verbraucht werden.

Nach diesen Maßstäben ist das vom Finanzamt ermittelte Vermögen des S jeweils um die monatlichen Unterhaltszahlungen der Kläger – und damit um die Beträge für den Lebensunterhalt (mtl. 500 EUR) und für Bekleidung (mtl. 76,69 EUR) – zu mindern. Die Miete wurde von den Klägern unmittelbar an die Vermieterin gezahlt und war daher nicht zu berücksichtigen.

Die Minderung des Vermögens des S ist auch im Hinblick auf die bereits am 28.12.2018 von den Klägern geleistete Zahlung für den Lebensunterhalt für Januar 2019 vorzunehmen. Die Zahlung gilt dem S als im Kalenderjahr 2019 zugeflossen. Sie gehört auch wirtschaftlich betrachtet zum Streitjahr, da laufender Kindesunterhalt zivilrechtlich durch Entrichtung einer Geldrente im Voraus zu leisten ist. Somit ist das für den 1.1.2019 auf Basis der Banksalden errechnete Vermögen jedenfalls um 500 EUR zu mindern, sodass S zu Beginn des Streitjahres ein Vermögen i. H. v. maximal 15.450,91 EUR besaß.

Dieses Vermögen ist im streitigen Zeitraum auch nicht auf einen Betrag von über 15.500 EUR angewachsen. Der vom Finanzamt auf Basis der Banksalden errechnete Vermögenszuwachs des S beruht allein auf „unschädlich“ angesparten Beträgen aus nicht verbrauchten Unterhaltszahlungen des Streitzeitraums. Denn es ist nicht ersichtlich, dass im maßgeblichen Zeitraum Zuführungen aus anderen Quellen (wie z. B. aus Schenkungen oder Arbeitseinkünften) in das Vermögen des S erfolgt sind.

Die Unterhaltsaufwendungen der Kläger sowie ihre Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung des Sohnes können indes nur i. H. v. insgesamt 7.999 EUR als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, sodass die Klage in Höhe diesen überschreitenden Betrags abzuweisen war.

Unterhaltsaufwendungen können bis zur Höhe des Grundfreibetrags – im Streitjahr 9.168 EUR – abgezogen werden. Dieser Höchstbetrag ermäßigt sich um 3/12 auf 6.876 EUR, da die Kläger die Unterhaltsaufwendungen nur während des Studiums ihres Sohnes in den Monaten Januar bis September getragen haben. Der Höchstbetrag erhöht sich noch um die von den Klägern in den Monaten Januar bis September aufgewandten Beiträge für die Basisabsicherung der Kranken- und Pflegeversicherung des S i. H. v. 1.123 EUR und beträgt damit insgesamt 7.999 EUR.