Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes jeder sachverständigen Methode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint.
Hintergrund
Der Klägerin war aufgrund eines Erbvertrags mit ihrem verstorbenen Lebensgefährten (L) vermächtnishalber der lebenslange Nießbrauch an einem vermieteten Grundstück eingeräumt worden. Das Nießbrauchsrecht wurde nicht ins Grundbuch eingetragen. Auf dem Grundstück befinden sich ein im Jahr 1970 errichtetes Bürogebäude mit Betriebswohnungen und eine Lagerhalle. Die Anschaffungskosten waren fremdfinanziert.
Erben des L und damit Eigentümer des Grundstücks nach dessen Tod wurden dessen Söhne (S 1 und S 2). Die Klägerin hatte sich im Erbvertrag verpflichtet, die zum Zeitpunkt des Anfalls des Vermächtnisses noch bestehenden Verbindlichkeiten, die auf dem Grundstück lasteten, zu übernehmen. 2013 veräußerte S 1 seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück für 150.000 EUR an die Klägerin.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2014 machte die Klägerin bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die auf die Gebäude entfallenden Anschaffungskosten AfA geltend. Sie ging davon aus, dass die tatsächliche Nutzungsdauer der Gebäude nur noch 6 Jahre betrage.
Das Finanzamt veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß, erließ zu späterer Zeit aber einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem es nur noch AfA in Höhe des typisierten festen Satzes von 2 % anerkannte.
Während des Einspruchsverfahrens änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzung zu Gunsten der Klägerin aus vorliegend nicht streitigen Gründen. Im Übrigen wies es den Einspruch zurück.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin weiterhin, AfA nach Maßgabe einer tatsächlich kürzeren – 50 Jahre unterschreitenden – Nutzungsdauer der Gebäude abzuziehen. Das FG holte das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken ein. Der Sachverständige ermittelte in seinem Gutachten vom 14.7.2020 für das Gesamtobjekt eine gewichtete tatsächliche Restnutzungsdauer von 19 Jahren.
Im Klageverfahren machte die Klägerin darüber hinaus erstmals geltend, dass die AfA-Bemessungsgrundlage zu erhöhen sei. Mit dem Erwerb des hälftigen Miteigentums sei insoweit ihr Nießbrauchsrecht untergegangen. Der Wert dieses Rechtsverlusts sei Bestandteil ihrer Anschaffungskosten gewesen.
Das FG gab der Klage statt. Es meinte, der Wert des seiner Ansicht nach untergegangenen Nießbrauchsrechts gehöre zu den Anschaffungskosten. Der kapitalisierte Wert jenes Rechts sei – bezogen auf den hälftigen Miteigentumsanteil – als Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG lägen vor. Der Sachverständige sei jedoch nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass die Anschaffungskosten auf nur 19 Jahre zu verteilen seien.
Entscheidung
Der BFH hält die Revision des Finanzamts für begründet, soweit das FG den kapitalisierten Wert des auf den erworbenen Miteigentumsanteil entfallenden Nießbrauchsrechts als Anschaffungskosten gewertet und in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen hat. Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben, und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Die Entscheidung des FG, die Gebäude-AfA nicht über 50 Jahre, sondern gem. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG über nur 19 Jahre zu verteilen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Hierzu führen die Richter u. a. aus:
Die Darlegungs- und Feststellungslast für eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer trägt der Steuerpflichtige.
Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG jeder sachverständigen Methode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint.
Die sachverständige Ermittlung der Restnutzungsdauer gem. § 6 Abs. 6 ImmoWertV 2010 ist eine gutachterlich anerkannte Schätzungsmethode.
Die angefochtene Entscheidung ist allerdings insoweit rechtsfehlerhaft, als das FG den Wert des Nießbrauchsrechts, der auf den von S 1 erworbenen Miteigentumsanteil an dem Grundstück entfällt, als Anschaffungskosten angesehen und im Umfang des Gebäudeanteils in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen hat. Hierfür besteht keine Rechtsgrundlage.
Der kapitalisierte Wert eines lebenslangen, fortbestehenden Nießbrauchsrechts an einem Grundstück ist nicht Bestandteil der Anschaffungskosten des Grundstücks, wenn der Nießbraucher das Eigentum am belasteten Grundstück erwirbt.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG zu befinden haben, in welcher Höhe neben den AfA für die auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten weitere AfA nach § 7 Abs. 1 EStG auf das in Gänze fortbestehende Nießbrauchsrecht abzuziehen sind. Hierzu bedarf es Feststellungen zur Höhe der Darlehensverbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Erfüllung des Vermächtnisses sowie zur Laufzeit des Nießbrauchs.