Der Gewinnzuschlag, der bei Auflösung einer § 6b-Rücklage wegen Nichtdurchführung der Reinvestition entsteht, ist nicht mit den durch das Bundesverfassungsgericht für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 als verfassungswidrig eingestuften Nachzahlungszinsen zu vergleichen.
Hintergrund
Die Klägerin X war in einer Erbengemeinschaft (Mit-)Eigentümerin eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft. Die Gemeinschaft veräußerte ein Grundstück an die Stadt. Als Gegenleistung übertrug die Stadt diverse Grundstücke an die Gemeinschaft. Zusätzlich zahlte die Stadt ein Aufgeld.
Anlässlich der Grundstücksveräußerung ergab sich ein Veräußerungsgewinn. Hiervon abgezogen wurden gem. § 6b EStG die Anschaffungskosten inklusive Nebenkosten für die von der Stadt übertragenen Grundstücke. Nach gewinnerhöhender Auflösung eines weiteren Betrags ergab sich im Wirtschaftsjahr 2018/2019 ein Stand der Rücklage gem. § 6b EStG zum 30.1.2019 i. H. v. von XXX EUR.
Mit Gesellschaftsvertrag wurde zum XX.XX.2020 eine GbR, Klägerin Y, gegründet; Gesellschafter waren C. D. und die Klägerin X in Erbengemeinschaft zu 2/3 und A.B., zu 1/3. Die Erbengemeinschaft C. D./ Klägerin X überließ der Klägerin Y die gesamten Betriebsflächen und sämtliche Wirtschaftsgebäude zur Nutzung. Sie stellten Sonderbetriebsvermögen der Erbengemeinschaft dar und wurden dorthin einschließlich der Rücklage gem. § 6b EStG zu Buchwerten übertragen.
Des Weiteren brachten die Gesellschafter die betrieblichen Forderungen, die kurzfristigen Verbindlichkeiten, das lebende und tote Inventar, das Vorratsvermögen und die Zahlungsansprüche nach § 6 Abs. 3 EStG zu Buchwerten in das Gesamthandsvermögen der Klägerin ein. lm Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2020/2021 löste die Klägerin Y die Rücklage nach § 6b EStG in Höhe eines Teilbetrags in der Sonderbilanz der Erbengemeinschaft C. D./ Klägerin X auf. Wegen der Nichtinanspruchnahme der Rücklage nahm sie einen außerbilanziellen Gewinnzuschlag nach § 6b EStG vor. Im Jahr 2021 verstarb C. D. und Alleinerbin wurde die Klägerin X.
Der Beklagte stellte mit Bescheid für 2020 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 25.2.2022 die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wie erklärt fest. Im Sonderbetriebsgewinn waren der hälftige Betrag aus der Auflösung der § 6b-Rücklage und außerbilanziell der hälftige Gewinnzuschlag gem. § 6b Abs. 7 EStG enthalten.
Gegen den ergangenen Feststellungsbescheid legte die Klägerin Y Einspruch ein. Zur Begründung trug sie u. a. vor, dass aufgrund eines vor dem FG Münster anhängigen Verfahrens zu der Frage, ob die gesetzlich festgelegte Höhe der Säumniszuschläge von 1 % pro Monat verfassungsgemäß sei, mit Entscheidungen zu anderen Verzinsungstatbeständen insbesondere zu § 6b EStG zu rechnen sei. Insoweit begehrte die Klägerin ein Ruhen des Verfahrens. Das Finanzamt lehnte ein Ruhen des Verfahrens ab und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Entscheidung
Die hiergegen erhobene zulässige Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zutreffend wegen der fehlenden Reinvestition einen außerbilanziellen Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG angesetzt. Das Gericht verweist u. a. darauf, dass, soweit eine nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildete Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen sei, ohne dass ein entsprechender Betrag nach § 6b Abs. 3 EStG abgezogen wird, der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen sei.
Diese Voraussetzungen lägen im gegebenen Fall unstreitig vor. Im Hinblick auf die Höhe des Gewinnzuschlags sei das Gericht jedoch nicht von deren Verfassungswidrigkeit überzeugt. Das Verfahren sei daher nicht gem. § 74 FGO auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorzulegen, ob § 6b Abs. 7 EStG mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar ist. Zwar führe § 6b Abs. 7 EStG zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen, die Anlagegüter veräußern. Gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz erweise sich diese Ungleichbehandlung aber als verfassungsgemäß.
Auch im Hinblick auf die Neuregelung zur Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen in § 238 Abs. 1a AO ergebe sich nach der Überzeugung des Gerichts kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
Insoweit sei zu beachten, dass sich die Unvereinbarkeitserklärung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich nicht auf andere Verzinsungstatbestände erstreckt, also insbesondere nicht auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen, sodass insoweit keine gesetzgeberische Anpassung des Zinssatzes erfolgte.
Im Rahmen dieser Verzinsungstatbestände hat es der Steuerpflichtige selbst in der Hand, eine Zinspflicht auszulösen. Hängt die Erfüllung eines Zinstatbestands dergestalt vom Willen des Steuerpflichtigen ab, sei der Gesetzgeber berechtigt, einen vom Marktniveau unabhängigen Zinssatz festzusetzen. Für den Gewinnzuschlag des § 6b Abs. 7 EStG gelte dieses in gleicher Weise. Eine Änderung der Zuschlagshöhe bedürfte einer Gesetzesänderung durch den Gesetzgeber.