Wird das Kindergeld wegen der 6-monatigen Ausschlussfrist nicht ausgezahlt, erfolgt auch keine Hinzurechnung im Rahmen der Günstigerprüfung. Das nicht ausgezahlte Kindergeld ist vielmehr nur in Höhe von 0 EUR zu berücksichtigen.

Hintergrund

Die Kläger sind die Eltern des volljährigen Sohnes S, der im Jahr 2017 ein Studium absolvierte und damit für das gesamte Kalenderjahr die kindergeldrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllte.

Am 23.5.2018 beantragte der Vater V rückwirkend ab Januar 2017 Kindergeld für S. Die Familienkasse setzte mit Bescheid vom 2.7.2018 unter Hinweis auf die 6-monatige Ausschlussfrist jedoch nur Kindergeld ab November 2017 fest und zahlte entsprechend auch nur das Kindergeld für November und Dezember 2017 in Höhe von 384 EUR an V aus.

In ihrer Einkommensteuer-Erklärung für 2017 beantragten die Eheleute, den Kindergeldanspruch nur in Höhe von 384 EUR zu berücksichtigen. Das Finanzamt folgte dem nicht, sondern berücksichtigte im Einkommensteuer-Bescheid die kindbedingten Freibeträge in Höhe von 7.356 EUR und rechnete den vollen Kindergeldanspruch in Höhe von 2.304 EUR der tariflichen Einkommensteuer hinzu.

Das Finanzgericht gab der Klage statt und setzte die Einkommensteuer auf den Betrag herab, der sich bei einer Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs von nur 384 EUR ergab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Finanzamts zurück und entschied, dass ein aufgrund der Ausschlussfrist ausgeschlossener Kindergeldanspruch bei der Günstigerprüfung in Höhe von 0 EUR zu berücksichtigen ist.

Zwar ist auch in den Fällen der Ausschlussfrist bei der Günstigerprüfung dem Grunde nach auf den Kindergeldanspruch und nicht auf das gezahlte Kindergeld abzustellen. Für die Höhe des anzusetzenden Anspruchs ist jedoch bei verfassungskonformer Auslegung die materiell-rechtliche Wirkung der Ausschlussfrist zu berücksichtigen und ein derart ausgeschlossener Kindergeldanspruch bei der Vergleichsrechnung und bei der Hinzurechnung nur in Höhe von 0 EUR anzusetzen.

Auch wenn nach dem Gesetzeswortlaut auf den „Anspruch auf Kindergeld“ abzustellen ist, gebieten es Sinn und Zweck der Regelung, den durch Frist ausgeschlossenen Kindergeldanspruch mit 0 EUR zu berücksichtigen. Der mit der Norm verfolgte Vereinfachungszweck stellt ein strukturelles – dem Gesetzgeber zuzurechnendes – Hindernis bei der Durchsetzung des Anspruchs dar, wenn der Anspruch innerhalb des 6-monatigen Zeitraums geltend gemacht werden muss. Daher erfordert es das verfassungsrechtliche Gebot der steuerlichen Freistellung des Kinderexistenzminimums, dass durch die Ausschlussfrist betroffene Kindergeldansprüche mit 0 EUR berücksichtigt werden, wenn sich bei der Einkommensteuer-Festsetzung herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der kindbedingten Freibeträge vorliegen.