Fehler bei der Berechnung des Zinslaufs können nicht über die Änderungsvorschrift des § 233a Abs. 5 Satz 1 AO, sondern nur auf der Grundlage der nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Regelungen in §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden.

Hintergrund

Am 6.5.2013 erließ das Finanzamt geänderte Einkommensteuer-Bescheide für 2007/2008 wegen (u. a.) gewinnerhöhender Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g Abs. 3 EStG. Die Bescheide enthielten auch die Festsetzung von Nachzahlungszinsen mit Zinslauf beginnend zum 1.4.2009/2010 nach § 233a Abs. 2 AO (d. h. 15 Monate nach Ablauf der Steuerentstehungsjahre 2007, 2008).

Am 10.6.2013 erhoben die Eheleute Einspruch gegen die „Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer“ für die Streitjahre.

Erst am 30.12.2013 bzw. am 7.11.2014 (d. h. nach Ablauf der Einspruchsfrist) wandten sie sich auch gegen die Zinsfestsetzung und machten geltend, der Zinslauf beginne nach § 233a Abs. 2a AO erst 15 Monate nach Eintritt des rückwirkenden Ereignisses und nicht nach § 233a Abs. 2 AO schon 15 Monate nach Ablauf der Streitjahre.

Das Finanzamt sah in dem Schreiben vom 10.6.2013 nur Einsprüche gegen die Steuerfestsetzungen und erst im Schreiben vom 30.12.2013 Einsprüche gegen die Zinsfestsetzungen. Es verwarf die Einsprüche gegen die Zinsfestsetzungen wegen Verfristung als unzulässig.

Im Zusammenhang mit dem Klageverfahren gegen die Steuerbescheide setzte das Finanzamt mit Bescheiden vom 13.4.2018 die Zinsen neu (niedriger) fest. Der Beginn des Zinslaufs wurde nicht geändert.

Den Antrag der Eheleute auf Änderung und Herabsetzung der Zinsfestsetzungen lehnte das Finanzamt ab. Die dagegen erhobene Klage der Eheleute wurde vom FG als unbegründet abgewiesen.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Es besteht keine verfahrensrechtliche Änderungsvorschrift, aus der die Eheleute einen Anspruch auf Änderung der Zinsbescheide vom 13.4.2018 herleiten können.

Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sind Unterschiedsbeträge bei der festgesetzten Einkommensteuer zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von § 233a Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

Selbst wenn die Zinsen materiell-rechtlich (wie von den Eheleuten beantragt) nach einem späteren Zinsbeginn gem. § 233a Abs. 2a AO zu berechnen wären, können die Eheleute verfahrensrechtlich keine entsprechende Änderung der Zinsbescheide verlangen. Die Änderung lässt sich nicht auf § 233a Abs. 5 Satz 1 AO stützen. Die Vorschrift verlangt zwar die Anpassung eines bestehenden Zinsbescheids an eine geänderte Steuerfestsetzung. Sie betrifft aber lediglich die Höhe der Zinsen. Sie ermöglicht nicht, einen (vermeintlich) unzutreffenden Zinslauf zu korrigieren, der der Berechnung bereits festgesetzter Nachzahlungszinsen zugrunde liegt. Berechnungsfehler, die (wie hier geltend gemacht) ausschließlich den Zinsbeginn und nicht die festgesetzte Steuer betreffen, liegen außerhalb des Anwendungsbereichs der Anpassungspflicht gem. § 233a Abs. 5 Satz 1 AO. Sie können nur auf der Grundlage der nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf die Zinsfestsetzungen anwendbaren (allgemeinen) AO-Änderungsvorschriften korrigiert werden.

Die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ergibt sich keine Pflicht des Finanzamts, die Zinsfestsetzungen für die Streitjahre zu ändern. Denn die Einkommensteuer-Bescheide sind keine Grundlagenbescheide und die Zinsbescheide der Streitjahre insoweit keine Folgebescheide. Es fehlt an einer gesetzlich angeordneten Bindungswirkung im Verhältnis von Einkommensteuer-Bescheid und Zinsbescheid.

Auch aus § 129 Satz 1 AO ergibt sich keine Änderungsmöglichkeit. Das Finanzamt hat bei Erlass der Zinsbescheide vom 6.5.2013 und vom 13.4.2018 aufgrund seiner Rechtsauffassung die Regelung zum besonderen Zinslauf gem. § 233a Abs. 2a AO bewusst nicht angewendet. Die bewusste Nichtanwendung einer Rechtsnorm durch das FA begründet keine „ähnliche offenbare Unrichtigkeit“.

  • 177 Abs. 2 AO kommt gleichfalls nicht für eine Änderung in Betracht. Da die Zinsen in den Bescheiden vom 6.5.2013 bestandskräftig festgesetzt worden waren und in den Bescheiden vom 13.4.2018 zugunsten der Eheleute herabgesetzt wurden, besteht mangels eines Änderungsrahmens für eine saldierende Fehlerkorrektur zugunsten der Eheleute kein Raum.