Steuernachforderungen und -erstattungen werden mit 6 % pro Jahr verzinst. Das ist zu viel, entschied das Bundesverfassungsgericht – zumindest für Zeiträume ab 2014.

Hintergrund

Nach § 233a AO wird bei der Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt. Der Zinslauf beginnt erst nach einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten.

Die Vollverzinsung betrifft sowohl Steuernachzahlungen als auch Steuererstattungen.

Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Verzinsung von Steuernachforderungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wird. Hintergrund hierfür ist das seit Jahren anhaltende niedrige Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt, das in diametralem Gegensatz zur 6-prozentigen Jahresverzinsung durch die Finanzverwaltung steht.

Diese Ungleichbehandlung sieht das Gericht für in die Jahre 2010 bis 2013 fallende Verzinsungszeiträume als noch als verfassungsgemäß an. Dies gilt jedoch nicht mehr für Verzinsungszeiträume ab 2014. Die Unvereinbarkeit der Verzinsung nach § 233a AO mit dem Grundgesetz umfasst dabei auch die Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen.

Weitergeltung der bisherigen gesetzlichen Regelung

Das Bundesverfassungsgericht differenziert insoweit, als es das bisherige Recht für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume für weiterhin anwendbar erklärt wird. Für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2019 und später fallen, kommt dagegen eine Weitergeltung des bisherigen Rechts dagegen nicht mehr in Betracht. Hier wird der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.

Rechtsfolgen für die Besteuerungspraxis

Das Bundesverfassungsgericht hat sich nur zur Vollverzinsung nach § 233a AO geäußert, nicht jedoch zu Stundungszinsen, Hinterziehungszinsen, Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge und Aussetzungszinsen. Da jedoch das Zinsniveau in allen Verzinsungsfällen einheitlich 0,5 % pro Monat beträgt, wird man die Entscheidungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts auf alle Zinsarten anwenden können.

3 Fallgruppen sind zu unterscheiden:

  • Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2013 und früher fallen, sind von der Verfassungswidrigkeit nicht betroffen, d. h. hier ist der Zinssatz von         0,5 % pro Monat nicht zu beanstanden. Steuerpflichtige, die hier Einspruch eingelegt haben, müssen mit einer Zurückweisung ihres Einspruchs rechnen. Im Falle einer Aussetzung der Vollziehung wird der ausgesetzte Betrag gezahlt werden müssen.
  • Für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2014 bis einschließlich 2018 fallen, bleibt das aktuelle Recht weiterhin anwendbar. Dies bedeutet, dass auch in diesen Fällen eingelegte Einsprüche abgewiesen werden und ausgesetzte Beträge gezahlt werden müssen. Soweit die Zinsfestsetzung vorläufig erfolgt ist, wird die Finanzverwaltung die Vorläufigkeit aufheben.
  • Lediglich für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2019 und später fallen, muss der Gesetzgeber bis zum 31.7.2022 „nachbessern“ und eine verfassungskonforme gesetzliche Neuregelung schaffen. Von dieser Neuregelung wird jedoch nur derjenige profitieren, der gegen den Zinsbescheid Einspruch eingelegt hat oder dessen Zinsbescheid vorläufig ergangen ist. Formell und materiell bestandskräftige Zinsbescheide ohne Vorläufigkeitsvermerk können aufgrund der anstehenden gesetzlichen Neuregelung nicht mehr geändert werden.