Der Solidaritätszuschlag war in den Jahren 2020 und 2021 nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt er nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Hintergrund
Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute wenden sich gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2020/2021.
Mit ihrer Klage hatten die Eheleute vor dem FG keinen Erfolg. Das FG war der Auffassung, beim Solidaritätszuschlag handele es sich um eine Ergänzungsabgabe i. S. d. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, deren Erhebung bis 2019 unstreitig nicht verfassungswidrig gewesen sei. Dies gelte auch für 2020 und ab 2021.
Entscheidung
Das angefochtene FG-Urteil wurde lediglich aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben. In der Sache hatte die Revision jedoch keinen Erfolg und führte zur Abweisung der Klage. Der BFH bejaht die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags.
Mit der Einführung des SolZG 1995 hat der Bund seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht überschritten. Zwar darf der Bund unter der Bezeichnung „Ergänzungsabgabe“ keine Steuer einführen, die den Vorstellungen des Verfassungsgebers zur Ergänzungsabgabe widerspricht und das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder verändert. Das ist beim Solidaritätszuschlag jedoch nicht der Fall. Er führt mit dem Satz von 5,5 % nicht zur „Aushöhlung“ der dem Bund und den Ländern gemeinschaftliche zustehenden Einkommensteuer und Körperschaftsteuer.
Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, das SolZG 1995 wegen fehlender zeitlicher Befristung 2020 aufzuheben. Das SolZG 1995 ist auch nicht durch bloßen Zeitablauf oder veränderte tatsächliche Umstände verfassungswidrig geworden. Eine Ergänzungsabgabe muss nicht von vornherein befristet werden und der Mehrbedarf für die Ergänzungsabgabe kann sich auch für längere Zeiträume ergeben. Ein dauerhafter Finanzbedarf muss jedoch regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern erhoben werden. Er darf nicht über eine Ergänzungsabgabe gedeckt werden. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe durch Zeitablauf verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für ihre Einführung maßgeblich waren, grundsätzlich ändern oder wenn eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist. Für 2005 und 2007 hat der BFH nicht verlangt, den Solidaritätszuschlag zur Deckung von Bedarfsspitzen nicht mehr zu erheben. Diese Grundsätze hat er später auf 2011 übertragen.
Für die Streitjahre 2020 und 2021 gilt im Ergebnis nichts anderes. Der von der Normallage abweichende wiedervereinigungsbedingte Finanzbedarf des Bundes ist auch in den Jahren 2020 und 2021 noch gegeben. Der Gesetzgeber hat die Verringerung dieses Bedarfs durch die Beschränkung des Solidaritätszuschlags auf die Bezieher höherer Einkommen ab 2021 berücksichtigt. Bei einer Generationenaufgabe kann der finanzielle Mehrbedarf des Bundes für einen sehr langen Zeitraum anzuerkennen sein. Dieser Zeitraum ist beim Solidaritätszuschlag jedenfalls 26 bzw. 27 Jahre nach seiner Einführung noch nicht abgelaufen. Diese legislative Begründung sieht der BFH zur Rechtfertigung des Solidaritätszuschlags als ausreichend an.
Dass ab 2021 rund 90 % der Steuerpflichtigen vom Solidaritätszuschlag freigestellt sind, ergibt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Bei Steuern, die an der Leistungsfähigkeit ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig und geboten. Deshalb kann der Gesetzgeber auch bei einer Ergänzungsabgabe, die im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstellt, solche Erwägungen anstellen. Der Finanzierungszweck als Hauptzweck schließt es nicht aus, dass zugleich Lenkungszwecke und/oder sozialpolitische Zwecke verfolgt werden. Dabei können die Maßstäbe und Kriterien durchaus differieren. Vor diesem Hintergrund ist die ab 2021 bestehende Staffelung des Solidaritätszuschlags (Freigrenze mit Gleitzone) gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt. Es liegen – im Hinblick auf Differenzierungsziel und Ausmaß der Ungleichbehandlung – angemessene sachliche Gründe vor, die eine willkürliche Differenzierung ausschließen.