Die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass der bereits zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung eine Steuerstraftat des Schuldners zugrunde liegt, können gem. § 177 Abs. 1 InsO nachträglich angemeldet werden.

Hintergrund

Über das Vermögen des X wurde im Juli 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Dem lag ein Eigenantrag des X zugrunde, der mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung verbunden war.

Das Finanzamt meldete Abgabenforderungen an, ohne auf einen Zusammenhang mit einer Steuerstraftat hinzuweisen. Die Forderungen wurden, ohne dass X als Schuldner widersprochen hatte, wie angemeldet am 5.11.2015 zur Insolvenztabelle festgestellt.

Mit Strafbefehl vom 6.4.2016 wurde X rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Anschließend beantragte das Finanzamt, die Insolvenztabelle um das Attribut zu ergänzen, dass es sich in Höhe eines Teilbetrags um Forderungen aus einer Steuerstraftat nach § 370 AO handele, für die gem. § 302 Nr. 1 InsO die Restschuldbefreiung ausgeschlossen sei. X legte gegen die Anmeldung des Attributs Widerspruch ein. Im Prüfungstermin im schriftlichen Verfahren wurde sein Widerspruch in die Tabelle eingetragen.

Nachdem ein entsprechender Tabellenauszug beim Finanzamt eingegangen war, erließ dieses am 10.1.2019 einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO mit dem die Forderungen in der im Einzelnen spezifizierten Höhe „als von der Restschuldbefreiung ausgenommene Insolvenzforderungen festgestellt“ wurden.

Im Juni 2019 fand der Schlusstermin im schriftlichen Verfahren statt. Im Juli 2019 wurde das Insolvenzverfahren gem. § 200 InsO aufgehoben.

Der Einspruch gegen den Feststellungsbescheid blieb erfolglos.

Im anschließenden Klageverfahren änderte das Finanzamt am 27.6.2019 den Feststellungsbescheid dahingehend, dass die Forderungen aus einem Steuerschuldverhältnis, „wegen dem Sie gem. § 370 AO wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden sind“ festgestellt werden.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die rechtskräftige Verurteilung wegen einer Steuerstraftat müsse noch nicht zum Zeitpunkt der ursprünglichen Forderungsanmeldung vorgelegen haben. Bei der Anmeldung zur Tabelle müssten keine Umstände angegeben werden, aus denen sich die Steuerstraftat ergebe.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück. Das Finanzamt war berechtigt, auf den isoliert erhobenen Widerspruch des X gegen die Anmeldung des Attributs zur Insolvenztabelle nachträglich festzustellen, dass es sich dabei um Forderungen i. S. d. § 174 Abs. 2, § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO handelt.

Forderungen können nach § 177 Abs. 1 InsO auch nachträglich, d. h. nach Ablauf der Anmeldefrist, angemeldet werden. Die gem. § 28 Abs. 1 InsO im Eröffnungsbeschluss zu bestimmende Anmeldefrist stellt keine Ausschlussfrist dar. Deshalb sind Forderungsanmeldungen und Änderungsmeldungen bis zum Schlusstermin möglich.

Aus § 177 Abs. 1 InsO ergibt sich, dass auch eine nachträgliche Anmeldung des Attributs i. S. d. § 174 Abs. 2 InsO möglich ist. Dabei handelt es sich um eine nachträgliche Änderung i. S. d. § 177 Abs. 1 Satz 3 InsO.

Die Feststellung war nach § 251 Abs. 3 AO erforderlich („erforderlichenfalls“). Das Interesse des Finanzamts an einer Feststellung nach § 251 Abs. 3 AO entfällt nicht bereits aufgrund der bestandskräftigen Festsetzung der Steuerforderungen. Denn die Bestandskraft eines Steuerbescheids erstreckt sich nicht auf die Feststellung, dass der Anspruch aus einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftrat stammt. Zudem bleibt auch bei einem Strafurteil/Strafbefehl, aus dem sich der Umfang der Steuerstraftat ergibt, noch zu klären, ob die als Insolvenzforderungen geltend gemachten Steuerforderungen vollumfänglich von dem Strafurteil bzw. Strafbefehl umfasst sind. Ergeht der Feststellungsbescheid i. S. v. § 251 Abs. 3 AO nach einem isolierten Widerspruch des Schuldners gegen das Attribut gem. § 302 Nr. 1 Alternative 3 InsO, muss sich aus dem Bescheid ergeben, dass der Schuldner im Zusammenhang mit der Forderung wegen einer Steuerstraftat nach §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist.

Hiervon ausgehend war der von X angefochtene Feststellungsbescheid rechtmäßig. Das Finanzamt hat die Insolvenzforderungen wirksam geltend gemacht. Unabhängig von der Bestandskraft der Bescheide konnte das Finanzamt einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO erlassen, wenn es nur die Feststellung des Attributs der Steuerstraftat zur Tabelle erreichen will und der Steuerpflichtige dem isoliert widersprochen hat. Denn der isolierte Widerspruch des Schuldners musste vom Finanzamt beseitigt werden, damit die angemeldeten Forderungen nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden.