Verdeckte Gewinnausschüttung: Finanzamt in der Beweispflicht

Die Beweislast für eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) trägt das Finanzamt. Aus hohen Barrückführungen auf einem Gesellschafter-Verrechnungskonto kann nicht gefolgert werden, dass zusätzliche Betriebseinnahmen vorliegen. Kann die Herkunft dieser Zugänge nicht geklärt werden, kann diese nur dem Gesellschafter zugerechnet werden.

Hintergrund

B war Gesellschafter-Geschäftsführer der XY GmbH. Aufgrund einer Anzeige, nach der B Einnahmen der XY GmbH veruntreut und dadurch Steuern hinterzogen haben soll, ermittelte die Steuerfahndungsstelle, dass sich die Aufwendungen für den privaten Lebensunterhalt des B und dessen versteuerte Einkünfte nicht deckten. Ferner hatte B in bar Verbindlichkeiten gegenüber der XY GmbH auf den dortigen Verrechnungskonten getilgt und auch erhebliche Beträge auf seine privaten Konten eingezahlt.

Das Finanzamt behandelte diese Beträge als Betriebseinnahmen der XY GmbH und als vGA an B.

Gegen die entsprechenden Bescheide legte die XY GmbH Einspruch ein. B sei schon vor seinem Aufenthalt in Deutschland ein vermögender Mann gewesen. Auch habe er von Personen in Osteuropa wiederholt private Darlehen in bar erhalten. Hierzu wurden Darlehensverträge vorgelegt. Die angeforderten Nachweise über den Geldfluss der Barzahlungen aus den Darlehen wurden jedoch nicht vorgelegt.

Das Finanzamt wies die Einsprüche als unbegründet zurück. B habe seine privaten Vermögensverhältnisse mit der betrieblichen Sphäre der XY GmbH verknüpft. Die Bareinzahlungen seien als nicht verbuchte betriebliche Einnahmen zu behandeln.

B habe keine plausiblen und nachvollziehbaren Angaben über die Herkunft der Barmittel gemacht. Da er über keine anderweitigen Einkunftsquellen verfügte, sei der Schluss gerechtfertigt, dass diese aus unversteuerten Einnahmen der XY GmbH stammen.

Entscheidung

Das FG hat der Klage stattgegeben. Die Beweislast für das Vorliegen einer vGA trage das Finanzamt. Dieses habe bei der XY GmbH keine verhinderte Vermögensmehrung nachweisen können, die als vGA zu werten seien.

Die unaufgeklärten Kapitalzuführungen rechtfertigten nicht den Schluss, dass diese auf nicht versteuerten Einnahmen der XY GmbH beruhen, die für Zwecke des B verwendet wurden. Diese könnten auch auf eine eigene, bislang steuerlich nicht erfasste gewerbliche Tätigkeit des B zurückzuführen sein. Das gelte auch für die Rückführungen auf dem Verrechnungskonto bei der XY GmbH. Bei diesem handele es sich um ein Darlehen der Gesellschaft an den Gesellschafter-Geschäftsführer, das wie ein Girokonto bei einer Bank geführt wird. Aus hohen Barrückführungen auf dem Verrechnungskonto könne nicht unbedingt gefolgert werden, dass die Kapitalgesellschaft zusätzliche Betriebseinnahmen erzielt habe.

Die fehlende Aufklärung der Herkunft von beim Gesellschafter-Geschäftsführer festgestellten ungeklärten Vermögenszuwächsen kann nach Auffassung des FG regelmäßig nur diesem persönlich zugerechnet werden.

Gewinnaufschlag für die Auflösung einer 6b-Rücklage ist verfassungskonform

Der Gewinnzuschlag, der bei Auflösung einer § 6b-Rücklage wegen Nichtdurchführung der Reinvestition entsteht, ist nicht mit den durch das Bundesverfassungsgericht für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 als verfassungswidrig eingestuften Nachzahlungszinsen zu vergleichen.

Hintergrund

Die Klägerin X war in einer Erbengemeinschaft (Mit-)Eigentümerin eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft. Die Gemeinschaft veräußerte ein Grundstück an die Stadt. Als Gegenleistung übertrug die Stadt diverse Grundstücke an die Gemeinschaft. Zusätzlich zahlte die Stadt ein Aufgeld.

Anlässlich der Grundstücksveräußerung ergab sich ein Veräußerungsgewinn. Hiervon abgezogen wurden gem. § 6b EStG die Anschaffungskosten inklusive Nebenkosten für die von der Stadt übertragenen Grundstücke. Nach gewinnerhöhender Auflösung eines weiteren Betrags ergab sich im Wirtschaftsjahr 2018/2019 ein Stand der Rücklage gem. § 6b EStG zum 30.1.2019 i. H. v. von XXX EUR.

Mit Gesellschaftsvertrag wurde zum XX.XX.2020 eine GbR, Klägerin Y, gegründet; Gesellschafter waren C. D. und die Klägerin X in Erbengemeinschaft zu 2/3 und A.B., zu 1/3. Die Erbengemeinschaft C. D./ Klägerin X überließ der Klägerin Y die gesamten Betriebsflächen und sämtliche Wirtschaftsgebäude zur Nutzung. Sie stellten Sonderbetriebsvermögen der Erbengemeinschaft dar und wurden dorthin einschließlich der Rücklage gem. § 6b EStG zu Buchwerten übertragen.

Des Weiteren brachten die Gesellschafter die betrieblichen Forderungen, die kurzfristigen Verbindlichkeiten, das lebende und tote Inventar, das Vorratsvermögen und die Zahlungsansprüche nach § 6 Abs. 3 EStG zu Buchwerten in das Gesamthandsvermögen der Klägerin ein. lm Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2020/2021 löste die Klägerin Y die Rücklage nach § 6b EStG in Höhe eines Teilbetrags in der Sonderbilanz der Erbengemeinschaft C. D./ Klägerin X auf. Wegen der Nichtinanspruchnahme der Rücklage nahm sie einen außerbilanziellen Gewinnzuschlag nach § 6b EStG vor. Im Jahr 2021 verstarb C. D. und Alleinerbin wurde die Klägerin X.

Der Beklagte stellte mit Bescheid für 2020 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 25.2.2022 die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wie erklärt fest. Im Sonderbetriebsgewinn waren der hälftige Betrag aus der Auflösung der § 6b-Rücklage und außerbilanziell der hälftige Gewinnzuschlag gem. § 6b Abs. 7 EStG enthalten.

Gegen den ergangenen Feststellungsbescheid legte die Klägerin Y Einspruch ein. Zur Begründung trug sie u. a. vor, dass aufgrund eines vor dem FG Münster anhängigen Verfahrens zu der Frage, ob die gesetzlich festgelegte Höhe der Säumniszuschläge von 1 % pro Monat verfassungsgemäß sei, mit Entscheidungen zu anderen Verzinsungstatbeständen insbesondere zu § 6b EStG zu rechnen sei. Insoweit begehrte die Klägerin ein Ruhen des Verfahrens. Das Finanzamt lehnte ein Ruhen des Verfahrens ab und wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Entscheidung

Die hiergegen erhobene zulässige Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zutreffend wegen der fehlenden Reinvestition einen außerbilanziellen Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG angesetzt. Das Gericht verweist u. a. darauf, dass, soweit eine nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildete Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen sei, ohne dass ein entsprechender Betrag nach § 6b Abs. 3 EStG abgezogen wird, der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen sei.

Diese Voraussetzungen lägen im gegebenen Fall unstreitig vor. Im Hinblick auf die Höhe des Gewinnzuschlags sei das Gericht jedoch nicht von deren Verfassungswidrigkeit überzeugt. Das Verfahren sei daher nicht gem. § 74 FGO auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorzulegen, ob § 6b Abs. 7 EStG mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar ist. Zwar führe § 6b Abs. 7 EStG zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen, die Anlagegüter veräußern. Gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz erweise sich diese Ungleichbehandlung aber als verfassungsgemäß.

Auch im Hinblick auf die Neuregelung zur Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen in § 238 Abs. 1a AO ergebe sich nach der Überzeugung des Gerichts kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

Insoweit sei zu beachten, dass sich die Unvereinbarkeitserklärung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich nicht auf andere Verzinsungstatbestände erstreckt, also insbesondere nicht auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen, sodass insoweit keine gesetzgeberische Anpassung des Zinssatzes erfolgte.

Im Rahmen dieser Verzinsungstatbestände hat es der Steuerpflichtige selbst in der Hand, eine Zinspflicht auszulösen. Hängt die Erfüllung eines Zinstatbestands dergestalt vom Willen des Steuerpflichtigen ab, sei der Gesetzgeber berechtigt, einen vom Marktniveau unabhängigen Zinssatz festzusetzen. Für den Gewinnzuschlag des § 6b Abs. 7 EStG gelte dieses in gleicher Weise. Eine Änderung der Zuschlagshöhe bedürfte einer Gesetzesänderung durch den Gesetzgeber.

Corona-Überbrückungshilfen sind steuerpflichtig

Die Zahlungen des Landes NRW einer Corona-Überbrückungshilfe für Selbstständige i. H. v. 1.000 EUR pro Monat im Zeitraum Juni bis August 2020 sind aufgrund des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den Leistungen und der betrieblichen Tätigkeit als Betriebseinnahmen steuerpflichtig.

Hintergrund

Das Land NRW hatte im Rahmen der für den Zeitraum Juni bis August 2020 bewilligten Überbrückungshilfe (Überbrückungshilfe I) den aus Bundesmitteln finanzierten Teil durch eine aus Landesmitteln gespeiste sog. NRW Überbrückungshilfe Plus ergänzt. Diese sah für Solo-Selbstständige, Freiberufler und im Unternehmen tätige Inhaber von Einzelunternehmen sowie Personengesellschaften eine Zahlung i. H. v. 1.000 EUR pro Monat für maximal 3 Monate (Juni, Juli und/oder August 2020) als Wirtschaftsförderungsleistung vor, wenn für diese Zeit keine Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) gezahlt wurde.

Dies erfolgte vor dem Hintergrund, dass das Bundesprogramm der Überbrückungshilfe I bestimmte, dass Kosten des privaten Lebensunterhalts nicht abgedeckt waren. Da viele Unternehmensinhaber, Freiberufler und Solo-Selbstständige die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II nicht erfüllten, sollte ihnen durch die NRW Überbrückungshilfe Plus geholfen werden, wenn sie die Antragsvoraussetzungen für die Überbrückungshilfe des Bundes erfüllten.

Das Finanzamt erhöhte den Gewinn um die erhaltenen Überbrückungshilfen.

Entscheidung

Das FG wies die eingelegte Klage ab. Es entschied, dass es sich bei der Corona-Überbrückungshilfe auch insoweit um Betriebseinnahmen handelt, als das Land NRW damit pauschal 1.000 EUR monatlich für Lebenshaltungskosten an den Steuerpflichtigen gezahlt hat.

Mit der Zahlung der NRW Überbrückungshilfe Plus konnten Ausgaben für die private Lebensführung beglichen werden. Voraussetzung für die Bewilligung dieser Überbrückungshilfe war jedoch, dass der Umsatzrückgang im Fördermonat mindestens 40 % im Vergleich zum Umsatz des Vergleichsmonats betrug. Andernfalls entfiel die Wirtschaftsförderung von pauschal 1.000 EUR anteilig für den jeweiligen Fördermonat.

Vor diesem Hintergrund beurteilte das FG die Zahlungen der NRW Überbrückungshilfe Plus für die Monate Juni bis August 2020 als Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen, da zwischen den Leistungen und dem Betrieb des Steuerpflichtigen ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestand.

Die Unterstützung gem. Nr. 5 Abs. 8 der Überbrückungshilfe NRW wurde nur an Freiberufler und Unternehmer gezahlt, die ihre Tätigkeit während des Förderzeitraums im Haupterwerb von einer in NRW befindlichen Betriebsstätte oder einem in NRW befindlichen Sitz der Geschäftsführung aus ausführten.

Die Zahlung der NRW Überbrückungshilfe Plus hing zudem von der Höhe des Umsatzes im Förderzeitraum im Vergleich zum Umsatz des Vergleichsmonats ab. Die Zuwendungen wurden vom Land NRW geleistet, um dem Empfänger die Möglichkeit zu geben, sich weiter der betrieblichen oder freiberuflichen Tätigkeit zu widmen.

Die Zahlungen waren auch nicht nach § 3 Nr. 2 Buchst. d EStG oder nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei. Nach § 3 Nr. 2 Buchst. d EStG sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II steuerfrei. Damit war im Streitjahr das sog. Arbeitslosengeld II gemeint, das als „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ eingeführt worden war. Eine entsprechende Anwendung der Steuerbefreiung von Leistungen des Arbeitslosengeldes II auf Bezüge aus öffentlichen Mitteln für Personen, die – wie der Steuerpflichtige – nicht arbeitsuchend sind, sondern Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erzielen, kommt nach Auffassung des FG nicht in Betracht. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11 EStG greift nicht, weil die Mittel nicht wegen einer Hilfsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen bewilligt wurden.

Sind Zahlungen an Förderverein als Schulgeld abziehbar?

Zahlungen an einen Förderverein gehören zu den Kosten für den normalen Schulbetrieb und sind als Sonderausgaben im Rahmen des abziehbaren Schulgeldes zu berücksichtigen.

Hintergrund

Die Kinder der Kläger besuchten eine staatlich anerkannte Ersatzschule in freier Trägerschaft. Trägerin der X. Schule ist eine Stiftung. Die Kläger zahlten im Jahr 2019 insgesamt 1.000 EUR an den Förderverein der X. Schule e. V. Nach der Satzung des Fördervereins sind Ziel und Zweck die Förderung von Bildung und Erziehung an der X. Schule. Der Zweck wird verwirklicht durch die Förderung der Lehrtätigkeit und des Schullebens, insbesondere durch die Unterstützung von schulischen Einrichtungen und Veranstaltungen, Studienreisen, Schullandaufenthalten und Arbeitsgemeinschaften, Projekten und (Arbeits-) Materialien.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung ließ das Finanzamt die 1.000 EUR nicht als Schulgeldzahlungen zu, da die Zahlungen nicht ausschließlich als Entgelt für den reinen Schulbesuch vereinnahmt worden seien. Sie stellten kein Schulgeld dar, weil die Beiträge, die durch den Förderverein an die Schule weitergeleitet worden seien, ausweislich der Satzung nicht für den reinen Schulbesuch geleistet würden. In der Satzung sei u. a. die Rede von der „Unterstützung von … Veranstaltungen, Studienreisen, Schullandaufenthalte und Arbeitsgemeinschaften, Projekten und (Arbeits-) Materialien“. Aufgrund dieser Regelung sei festzustellen, dass die Leistungen an den Förderverein kein Entgelt für den reinen Schulbesuch darstellen.

Entscheidung

Dies sieht das FG anders. Der Begriff des Entgelts ist in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht näher definiert. Verstanden wird hierunter das von den Eltern zu entrichtende Schulgeld für den Schulbesuch der Kinder, wobei es auf die Bezeichnung als Schulgeld nicht ankommt.

Es muss sich um die Kosten für den normalen Schulbetrieb handeln, soweit diese Kosten an einer staatlichen Schule von der öffentlichen Hand getragen werden. Insoweit habe eine wirtschaftliche Betrachtung dahingehend zu erfolgen, wonach sämtliche Leistungen der Eltern, die als Gegenleistung für den Schulbesuch des Kindes erbracht werden, den Entgeltbegriff erfüllen.

Demnach erfüllen auch Leistungen von Eltern an einen Förderverein, der diese zur Deckung der Betriebskosten an den Schulträger weiterleitet, den Entgeltbegriff. Bei Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtung seien die 1.000 EUR von den Klägern gezahlt worden, um den Schulträgereigenanteil zu finanzieren. Zusammen mit den anderen Eltern haben die Kläger dem Förderverein insgesamt 37.500 EUR zugewendet, die in 43.500 EUR enthalten waren, die der Förderverein zweckgebunden zur Finanzierung der X. Schule an die Schulträgerin weitergeleitet hat. Die Kläger und die anderen Eltern haben sicher sein können, dass mit diesem Geld allein der normale Schulbetrieb finanziert wird.

Es treffe zwar zu, dass die Satzung des Fördervereins keine so verstandene ausschließliche Bindung zur Mittelverwendung enthält und aufgrund der breiten Formulierung auch Zwecke vorsieht, bei deren Verfolgung keine reine Finanzierung des normalen Schulbetriebs mehr vorliegen würde.

Allerdings sei dies unschädlich, denn es ist schon keine gesetzliche Grundlage für die vom Beklagten vertreten Auffassung ersichtlich, dass es sich bei über einen Förderverein an einen Schulträger weitergeleitete Elternbeiträge nur dann um Schulgeldzahlungen i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG handeln kann, wenn sich der Satzungszweck des Fördervereins auf die Weiterleitung von Elternbeiträgen beschränkt.

Ob die weitergeleiteten Elternbeiträgen als Schulgeldzahlungen i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG anzusehen sind, ist nach Auffassung des FG vielmehr allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Danach liegt im vorliegenden Fall ein Entgelt für den Schulbesuch vor, da die Schule auf die Förderbeträge zur Finanzierung des Eigenanteils angewiesen war und die Elternbeiträge vollständig an den Schulträger weitergeleitet worden sind; dies gelte umso mehr, als die Schule selbst kein eigenes Schulgeld erhoben hat.

Haushaltszugehörigkeit als Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug von Kinderbetreuungskosten

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG sind die Betreuungsaufwendungen des Elternteils, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, durch den ihm gewährten Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf abgedeckt. Hierzu ist jetzt eine Verfassungsbeschwerde anhängig.

Hintergrund

Der Beschwerdeführer ist der Vater einer 2013 geborenen Tochter. Seit 2018 lebte er von der Mutter des Kindes getrennt. Im Streitjahr 2020 überwies die Mutter 250 EUR für den Kindergarten und 348 EUR für den Schulhort. Der zivilrechtlich im Rahmen des Mehrbedarfs zur anteiligen Zahlung von Kindergartenbeiträgen und Hortgebühr verpflichtete Kläger überwies der Mutter jeweils den halben Monatsbeitrag.

In seiner Einkommensteuer-Erklärung gab er deshalb Kinderbetreuungskosten i. H. v. 299 EUR an, die er zu 2/3, d. h. 199 EUR, als Sonderausgaben zum Abzug bringen wollte. Das Finanzamt und das FG lehnten den Abzug unter Verweis auf die fehlende Haushaltszugehörigkeit des Kindes ab.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das FG habe den Sonderausgabenabzug einfachrechtlich zu Recht aufgrund der fehlenden Haushaltszugehörigkeit des Kindes verneint. Es bestehe auch kein Anlass zu einer konkreten Normenkontrolle durch das BVerfG, da der Senat nicht davon überzeugt ist, dass § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG im Fall des Klägers ein Eltern- bzw. Familiengrundrecht oder den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH besitzt jemand einen Haushalt dort, wo er allein oder mit anderen eine Wohnung innehat, in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, und an dem er sich persönlich und regelmäßig auch finanziell beteiligt. Der Steuerpflichtige selbst muss dem Haushalt vorstehen und ihm angehören.

Das Kriterium der Haushaltsaufnahme des Kindes ist erfüllt, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen die Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Anders als bei § 32 Abs. 6 Sätze 8 und 9 EStG kommt es nicht darauf an, ob das Kind bei dem Steuerpflichtigen gemeldet ist.

Trennen sich die Elternteile, seien hinsichtlich des Umgangs mit den Kindern und des von den Eltern zu leistenden Unterhalts verschiedene Grundmodelle möglich, von denen im Einzelfall aber abgewichen werden könne.

In der Praxis wird überwiegend das sog. Residenzmodell gewählt. Bei diesem Modell ist das Kind in den Haushalt eines Elternteils aufgenommen. Dieser leistet Naturalunterhalt. Der andere Elternteil leistet Barunterhalt für das Kind und hat ggf. ein Umgangsrecht (z. B. Kind besucht ihn jedes 2. Wochenende).

Im Paritäts,- Wechsel-, Pendel- oder Doppelresidenzmodell ist das Kind in annähernd gleichem Umfang in den Haushalt beider Elternteile aufgenommen (z. B. wöchentlicher Wechsel zwischen Haushalt der Mutter und des Vaters). Beide Eltern leisten Naturalunterhalt. Gegebenenfalls besteht daneben eine Barunterhaltspflicht eines oder beider Elternteile.

Im Nestmodell bleibt das Kind im bisherigen gemeinsamen Haushalt der Elternteile und die Elternteile wechseln jeweils in einen anderen Haushalt (z. B. wöchentlicher Wechsel). Beide Eltern leisten Naturalunterhalt. Gegebenenfalls besteht daneben eine Barunterhaltspflicht eines oder beider Elternteile.

 

 

Ist das Kind im Falle der Praktizierung des Residenzmodells nicht in den Haushalt des barunterhaltspflichtigen Elternteils aufgenommen, kann dieser den Sonderausgabenabzug auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn er einen Teil der Fremdbetreuungskosten trägt. Unerheblich ist dabei, ob er die Zahlung direkt an den fremdbetreuenden Dritten oder an den anderen Elternteil erbringt und ob er zivilrechtlich verpflichtet ist, die Fremdbetreuungskosten (anteilig) zu tragen (z. B. als betreuungsbedingter Mehrbedarf). Denn in jedem der genannten Fälle fehlt es an der von § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG geforderten Haushaltsaufnahme des Kindes.

Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für den Elternteil, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, verletzt nicht das Gebot der Steuerfreiheit des familiären Existenzminimums, da die getragenen Betreuungskosten durch den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag) abgedeckt werden. Nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG steht jedem Elternteil – unabhängig von der Haushaltsaufnahme des Kindes – ein Kinderfreibetrag und ein BEA-Freibetrag zu. Der BEA-Freibetrag soll gerade auch Betreuungsaufwand abdecken und wird unabhängig davon gewährt, in welchem Umfang das Kind von den Elternteilen eigen- oder fremdbetreut wird.

Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Insofern hat das BVerfG bereits zu § 33c Abs. 1 Satz 1 EStG 1985 das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit als zulässige Typisierung angesehen. Zudem dient dieses Tatbestandsmerkmal einer besonderen Förderung alleinerziehender Elternteile.

Bauträgervergütung verjährt in 10 Jahren

Der Vergütungsanspruch eines Bauträgers, der einen Grundstücksanteil unter der gleichzeitigen Verpflichtung der Errichtung einer Eigentumswohnung veräußert, verjährt in 10 Jahren, wenn der Wohnungskaufpreis Teil der Gesamtvergütung ist.

Hintergrund

Die Bauträgerin und Veräußerin einer Eigentumswohnung hatte die Erwerber auf Zahlung der letzten noch ausstehenden Vergütungsrate in Höhe von ca. 15.500 EUR plus Zinsen verklagt. Mit notariellem Bauträgervertrag vom Februar 2013 hatte die Klägerin den Beklagten an ihrem Grundbesitz 2 Miteigentumsanteile veräußert, verbunden mit dem Sondereigentum an einer zu errichtenden Wohnung nebst Pkw-Abstellplatz im Untergeschoss. Der Kaufpreis war in 7 vom Baufortschritt abhängigen Raten zu zahlen, die Schlussrate in Höhe von 3,5 % des vereinbarten Preises nach vollständiger Fertigstellung.

Nach diversen Begehungen und einer Bauabnahme erklärte die Klägerin mit Bautenstandsmeldung vom November 2014, das Objekt vollständig fertiggestellt zu haben. Die anschließend erstellte Schlussrechnung wiesen die Beklagten wegen diverser Baumängel im Dezember 2014 zurück. Nachdem die Beklagten bis Ende Dezember 2018 auf die Einrede der Verjährung verzichtet hatten und nach einem zwischenzeitlichen Mahnverfahren, erhob die Klägerin im Dezember 2018 Klage auf Restzahlung.

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, mit der Begründung, die Restvergütungsforderung der Klägerin sei verjährt. Der Anspruch auf Vergütung unterliege der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB und betrage 3 Jahre. Auch wenn die Vergütungsforderung Teil des Entgeltes dafür sei, dass die Klägerin den Beklagten Eigentum an einem Grundstück übertragen habe, komme hier die für Grundstückskaufverträge geltende 10-jährige Verjährungsfrist des § 196 BGB nicht zum Zuge.

 

 

Entscheidung

Dies sah der BGH anders. Der BGH gab der Vorinstanz insoweit recht, als die vereinbarte Vergütung nicht in einen Kaufpreisteil und einen Werkvertragsteil aufteilbar sei. Bei einem Bauträgervertrag handle sich nach ständiger Rechtsprechung um einen einheitlichen Vertrag, der werkvertragliche und kaufvertragliche Elemente enthalte. Im Rahmen der Vertragsabwicklung seien daher je nach Fallgestaltung kaufrechtliche und/oder werkvertragsrechtliche Regeln anzuwenden.

Eine Aufteilung der einheitlich vereinbarten Vergütung in einen Kaufvertragsteil und einen Werkvertragsteil kommt nach der Entscheidung des BGH allerdings nicht in Betracht. Die Vorinstanz habe also insoweit recht, als die Verjährung des Vergütungsanspruchs einheitlich zu beurteilen ist.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz gilt nach der Entscheidung des BGH für den Vergütungsanspruch des Bauträgers allerdings nicht die 3-jährige Regelverjährung des § 195 BGB, sondern die 10-jährige Verjährungsfrist des § 196 BGB. Die 10-jährige Verjährung für Grundstückskaufverträge ist nach der Bewertung des BGH vom Gesetzgeber als die speziellere Verjährungsregelung konzipiert. Aus systematischen und teleologischen Erwägungen zu § 196 BGB folge, dass der Gesetzgeber im Falle einer Eigentumsübertragung an einem Grundstück wegen der Bedeutung eines Grundstücksgeschäfts und den damit verbundenen Risiken eine von der Regelverjährung abweichende längere Verjährung vorsehen wollte.

Auch wenn ein Bauträgervertrag grundsätzlich ein Mischvertrag mit Elementen des Werkvertrags und des Grundstückskaufvertrags sei, so stehe für den Erwerber doch die Eigentumsübertragung an der vom Bauträger zu errichtenden Eigentumswohnung im Vordergrund des Interesses. Die mit der einheitlichen Vergütung mit abgegoltenen Bauleistungen hätten für den Erwerber nur dann einen nachhaltigen Wert, wenn er auch Eigentümer der Wohnung wird. Damit stehe entgegen der Auffassung der Vorinstanz die Eigentumsübertragung im Zentrum des vereinbarten Rechtsgeschäfts.

Im Ergebnis ist damit nach der Entscheidung des BGH im Fall eines Bauträgervertrags für die Verjährung des Vergütungsanspruchs die 10-jährige Verjährungsfrist des § 196 BGB einschlägig. Die 10-jährige Verjährungsfrist beginne mit der Entstehung des Anspruchs und damit dem Zeitpunkt, in welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Dies sei regelmäßig der Zeitpunkt der Fälligkeit. Die Fälligkeit der Restvergütung sei im konkreten Fall frühestens mit der Bautenstandsmeldung und Abnahme im November 2014 eingetreten, die 10-jährige Verjährung also noch nicht abgelaufen.

Damit war das Urteil der Vorinstanz aufzuheben. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen zu einem möglichen Zurückbehaltungsrecht wegen der von den Beklagten geltend gemachten Mängeln getroffen hatte, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Verfällt der Urlaub bei einer Langzeiterkrankung?

Bei Langzeiterkrankungen beginnt die 15-monatige Verfallfrist ausnahmsweise unabhängig von der Erfüllung der Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich war, seiner Hinweisobliegenheit nachzukommen.

Hintergrund

Der Kläger war seit dem 1.11.1989 bei der Beklagten beschäftigt. Der TVöD-V fand auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Seit dem 18.1.2016 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, welches durch Aufhebungsvertrag mit Ablauf des 28.2.2019 endete, war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Der Kläger klagte nun auf Abgeltung von 30 Arbeitstagen Urlaub aus dem Jahr 2016. Er begründete dies damit, dass sein Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2016 trotz der durchgehenden krankheitsbedingten Fehlzeit nicht nach 15 Monaten mit Ablauf des 31.3.2018 erloschen sei, weil die Beklagte ihn nicht durch Erfüllung ihrer Mitwirkungsobliegenheiten in die Lage versetzt habe, den Urlaub tatsächlich wahrzunehmen.

Entscheidung

Das BAG führt zunächst aus, dass der Urlaub nach Ablauf von 15 Monaten erlischt, wenn Beschäftigte seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig gewesen sind. In diesem Fall verfällt der Urlaubsanspruch unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist oder nicht.

Demgegenüber kann ein Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub aus einem Bezugszeitraum, in dessen Verlauf der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden sei, bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG grundsätzlich nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlöschen, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig nachgekommen sei.

Der Arbeitgeber habe jedoch das Risiko, dass der Urlaub wegen einer im Urlaubsjahr eintretenden Krankheit nicht erfüllt werden könne, nur zu tragen, soweit er im Urlaubsjahr tatsächlich die Möglichkeit gehabt hatte, seinen Mitwirkungsobliegenheiten auch nachzukommen. Wenn aber die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich gewesen ist, den Arbeitnehmer zur Inanspruchnahme des Urlaubs zu veranlassen, so dass der Beschäftigte selbst bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch den Arbeitgeber den Urlaub nicht vollständig habe nehmen können, erlischt der Urlaubsanspruch bei fortdauernder Erkrankung unabhängig von der Mitwirkung des Arbeitgebers mit Ablauf eines Übertragungszeitraums 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres.

Für die Frage, ob der Arbeitgeber die Beschäftigten rechtzeitig aufgefordert habe, ihren Urlaub zu nehmen, und ihnen klar mitgeteilt habe, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfalle, wenn er nicht beantragt werde, sei auf den Zugang der Erklärung bei den Beschäftigten abzustellen. Die Aufforderung und der Hinweis müssten zwar nicht sofort nach der Entstehung des Urlaubsanspruchs erfolgen, sondern entsprechend der Legaldefinition nach § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern des Arbeitgebers. Die Zeitspanne, die dem Arbeitgeber zur Vorbereitung und Durchführung der Belehrung einzuräumen sei, richte sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls. Da nach Auffassung des BAG die Berechnung des Urlaubsanspruchs und die Formulierung der Belehrung grundsätzlich keine besonderen Schwierigkeiten bereite, sei unter normalen Umständen – wenn keine Besonderheiten, wie z. B. Betriebsferien zu Jahresbeginn – vorliegen, eine Zeitspanne von einer (Urlaubs-)Woche, d. h. in Anlehnung an § 3 BUrlG 6 Werktage nach Entstehung des Urlaubsanspruches, was nach § 1 BUrlG zu Beginn des Kalenderjahres, d. h. zum 1. Januar, sei, ausreichend.

Im Hinblick auf die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers gelten die dargestellten Grundsätze nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den tariflichen Mehrurlaub. Die Tarifvertragsparteien des TVöD hätten in dieser Hinsicht den tariflichen Mehrurlaub nicht abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt.

Im vorliegenden Fall erachtete das BAG die Klage als unbegründet, soweit der Kläger die Abgeltung von 25 Arbeitstagen Urlaub verlangte. Aufgrund der am 18.1.2016 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit des Klägers hätten zwischen Montag, dem 4.1.2016, und Freitag, dem 15.1.2016, nur 10 Arbeitstage gelegen, an denen der Urlaubsanspruch hätte erfüllt werden können. Zudem habe die Beklagte ihre Mitwirkungsobliegenheiten nicht vor dem 8.1.2016 erfüllen müssen. Erst nach Ablauf der Frist sei das Risiko, dass Urlaubsansprüche wegen einer Langzeiterkrankung verfielen, auf die Beklagte übergegangen.

Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer: Kein Verstoß gegen Unionsrecht

Weder die Mehrwertsteuersystemrichtlinie noch das übrige Unionsrecht enthält Normen zu steuerlichen Nebenleistungen. Diese gehören vielmehr zum Verfahrensrecht, für das der Grundsatz der Autonomie der Mitgliedstaaten gilt.

Hintergrund

Zwischen der Klägerin und dem Finanzamt war streitig, ob die Vorschriften über die Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO gegen Unionsrecht verstoßen.

In den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2008–2011 machte die Klägerin Vorsteuerbeträge geltend, die das Finanzamt zunächst anerkannte, später aber beanstandete und rückgängig machte. Es kam zu Nachzahlungen und der Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO. In der Folge reichte die Klägerin im Jahr 2014 korrigierte, den Anforderungen des Finanzamts entsprechende Rechnungen ein. Das Finanzamt gewährte daraufhin den Vorsteuerabzug im Jahr 2014. Erstattungszinsen nach § 233a AO entstanden mangels Beginns des Zinslaufs insoweit nicht. Die nach der erfolglosen Durchführung eines Einspruchsverfahrens erhobene Klage wegen der Versagung des Vorsteuerabzugs in den Jahren 2008–2011 hatte Erfolg. Mit den wiederum geänderten Umsatzsteuerbescheiden für diese Jahre setzte das Finanzamt auch Erstattungszinsen nach § 233a AO fest. Zugleich machte das Finanzamt den Vorsteuerabzug im Jahr 2014 wieder rückgängig und setze insoweit Nachzahlungszinsen nach § 233a AO fest. Der Einspruch gegen diesen Zinsbescheid hatte keinen Erfolg.

Entscheidung

Das FG hat die Klage, mit der die Klägerin (erstmals) geltend machte, die Zinsfestsetzung verstoße gegen das Unionsrecht, weil § 233a AO nicht die Umstände des Einzelfalls berücksichtige, insbesondere ob dem Fiskus ein Steuerschaden entstanden sei oder ob ein Mitverschulden des Steuerpflichtigen vorliege, als unbegründet abgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des BFH gilt das Neutralitätsprinzip für die Umsatzsteuer, nicht aber für steuerliche Nebenleistungen wie beispielsweise Zinsen. Soweit der EuGH aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität ableitet, dass (auch wenn Art. 183 MwStSystRL weder eine Pflicht zur Zahlung von Zinsen auf den zu erstattenden Vorsteuerüberschuss vorsieht noch angibt, ab wann solche Zinsen zu zahlen wären) die finanziellen Verluste, die dadurch entstehen, dass ein Vorsteuerüberschuss nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet wird, durch die Zahlung von Verzugszinsen ausgeglichen werden, ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall der Verzinsung keine Erstattung, sondern eine Nachzahlung zugrunde liegt. Zudem sieht § 233a AO i. V. m. § 238 AO nicht nur die Festsetzung von Nachzahlungszinsen, sondern auch von Erstattungszinsen vor. Solche sind im Übrigen für die Klägerin wegen der irrtümlich zurückgeforderten Vorsteuern 2008–2011 auch festgesetzt worden.

Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt ebenfalls nicht vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der Verzinsung nach § 233a AO nicht um eine Maßnahme mit Sanktionscharakter, sodass die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des EuGH zu den Anforderungen an Sanktionen im Streitfall nicht unmittelbar anwendbar ist.

Im konkreten Fall ist die Festsetzung der Nachzahlungszinsen zudem bereits deswegen unionsrechtskonform, weil die von der Klägerin abstrakt gerügten Verstöße gegen das Unionsrecht, insbesondere gegen den Neutralitätsgrundsatz und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, im Streitfall nicht vorliegen. Denn der Klägerin ist trotz Festsetzung der Nachzahlungszinsen im Ergebnis kein finanzieller Schaden entstanden, der hätte berücksichtigt werden können. Zwar wurden Nachzahlungszinsen festgesetzt, weil die vom Finanzamt fälschlicherweise in das Jahr 2014 verlagerte Vorsteuererstattung wieder rückgängig gemacht wurde und die Umsatzsteuerfestsetzung damit zum Nachteil der Klägerin geändert worden ist. Auf der anderen Seite wurde jedoch die unberechtigte Versagung des Vorsteuerabzugs in den Jahren 2008–2011 ebenfalls wieder rückgängig gemacht. Dies führte nicht nur zum Entfallen der insoweit festgesetzten Nachzahlungszinsen, sondern auch zur Festsetzung von Erstattungszinsen auf die unberechtigterweise vorenthaltenen Vorsteuern.

E-Paper-Ausgaben: Welcher Umsatzsteuersatz gilt?

Zeitungen werden häufig sowohl in Papier- als auch E-Paper-Form zur Verfügung gestellt. Hier stellt sich die Frage, welcher Steuersatz anzuwenden ist.

Hintergrund

Im Streitzeitraum 2009-2012 wurden die Zeitungen des klagenden Verlags in Printform und auch als inhaltsgleiches E-Paper im pdf-Format herausgegeben. Möglich war auch nur ein Abonnement des E-Papers. Die Print-Abonnenten konnten im Streitzeitraum auf das E-Paper ohne weitere Zuzahlung zugreifen. Später mussten die Print-Abonnenten für das E-Paper eine zusätzliche Zahlung entrichten. Die Klägerin unterwarf im Streitzeitraum das Gesamtentgelt dem für Druckerzeugnisse (z. B. Zeitungen) geltenden ermäßigten Steuersatz von 7 % Das Finanzamt sah jedoch in der Zurverfügungstellung eines elektronischen Zugangs zum E-Paper neben dem Print-Abonnement eine eigenständige Leistung, auf die der Regelsteuersatz (19 %) Anwendung finde. Wegen der unterschiedlichen Steuersätze teilte das Finanzamt das Gesamtentgelt auf.

Erst ab Inkrafttreten von § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG zum 18.12.2019 unterliegt auch der Zugang zum E-Paper dem ermäßigten Steuersatz.

Entscheidung

Nach Auffassung des FG stellt die Zurverfügungstellung des E-Papers im streitigen Zeitraum 2009-2012 eine eigenständige dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung dar. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist auf die Lieferung von Büchern und Zeitschriften der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden. Der mit dem Jahressteuergesetz 2019 eingeführte ermäßigte Steuersatz auf E-Paper gem. § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG (neue Fassung) gilt erst ab dem 18.12.2019. Für die hier streitigen Zeiträume 2009-2012 sieht das UStG für Umsätze mit E-Paper mangels Ausnahmevorschrift den Regelsteuersatz von 19 % vor.

Die Möglichkeit des elektronischen Konsums ist nach Auffassung des FG ein völlig anderer Leistungsgegenstand als die Lieferung einer Zeitung in Papierform. Während letztere ein physisch erfassbares Produkt darstellt, an dem Besitz und Eigentum übertragen werden kann, erfülle ersteres nur die Merkmale einer sonstigen Leistung durch Zurverfügungstellung von Informationen auf einem elektronischen Medium.

Aus der Sicht des Verlags geht es zwar in erster Linie um die Zurverfügungstellung journalistischer Inhalte und nicht um das dabei eingesetzte Medium. Nach Auffassung des FG kommt es jedoch allein auf die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers an. Für diesen habe der Erhalt einer Zeitung einen anderen verbrauchsfähigen materiellen Gehalt als die Zurverfügungstellung von elektronischen Informationen. So sei der elektronische Zugang flexibler handhabbar als die physische Zeitungslieferung (so etwa im Urlaub oder bei Nutzung durch andere Familienmitglieder).

Das FG sieht die Zurverfügungstellung des E-Papers auch nicht als steuerlich unbeachtliche und das Schicksal der Hauptleistung teilende Nebenleistung zur Zeitungslieferung an. Es sei insoweit nicht erkennbar, dass die Einzelleistungen des Verlags für den Kunden so eng miteinander verbunden seien, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bildeten, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

Das FG sieht auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Printausgabe und E-Paper. Bei unterschiedlich zu besteuernden Leistungen zu einem pauschalen Gesamtverkaufspreis ist das einheitliche Entgelt sachgerecht aufzuteilen. Zwar ist die Aufteilung anhand der jeweiligen Einzelverkaufspreise die einfachste Berechnungsmethode, dies würde jedoch für den Verlag zu einem ungünstigen Ergebnis führen. Deshalb orientierte sich das Finanzamt an für Print-Kunden zu späterer Zeit für den E-Paper-Zugang berechneten Preisen und legte dabei einen Mittelwert von 1,99 EUR zugrunde. Daher liege insoweit keine rechtswidrige Benachteiligung der Klägerin vor.

Lüge des Mieters kann Kündigung rechtfertigen, muss aber nicht

Bewusst falsche Angaben des Mieters in einem Prozess mit dem Vermieter stellen nicht automatisch einen Kündigungsgrund dar. Je nach Gesamtkontext und vorangegangenem Verhalten des Vermieters kann eine Lüge weniger schwerwiegend sein.

Hintergrund

Die Vermieterin einer Wohnung verlangt vom Mieter die Räumung. Die Vermieterin hatte das langjährige Mietverhältnis wegen aus ihrer Sicht vertragswidriger Hundehaltung ordentlich gekündigt und Räumungsklage erhoben.

Bei einer persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht erklärte der Mieter, dass es aus seiner Sicht nicht um den Hund gehe, sondern er aus dem Haus „herausgemobbt“ werden solle. Der Hausverwalter habe ihn zudem mit ausländerfeindlichen Äußerungen beleidigt. Ferner gab der Mieter wahrheitswidrig an, zufällig ein Gespräch der Vermieterin gehört zu haben, aus dem sich ergebe, dass das Haus verkauft werden solle. Der Kaufinteressent habe gesagt, er könne das Haus nur kaufen, wenn alle Mieter ausgezogen seien.

Wegen dieser Äußerungen des Mieters erklärte die Vermieterin im Räumungsprozess eine weitere Kündigung.

Nachdem die Räumungsklage vor dem Amtsgericht erfolglos geblieben war, gab das Landgericht der Klage statt. Es ließ offen, ob die Kündigung wegen der Hundehaltung wirksam war. Auf jeden Fall sei die zweite Kündigung wirksam, weil der Mieter wahrheitswidrig von einem angeblichen Gespräch der Vermieter mit einem potenziellen Käufer berichtet habe.

Entscheidung

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit zurück. Auch wenn der Mieter in der persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht unzutreffende Angaben gemacht hat, rechtfertigt dies nicht ohne Weiteres eine Kündigung.

Der Vermieter kann einen Mietvertrag über eine Wohnung nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches Interesse liegt etwa dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.

Ob der Vermieter angesichts einer schuldhaften Pflichtverletzung des Mieters ein berechtigtes Interesse hat, das Mietverhältnis zu beenden, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Hierbei ist ein vorangegangenes vertragswidriges Verhalten des Vermieters zu berücksichtigen, insbesondere, wenn es das nachfolgende vertragswidrige Verhalten des Mieters provoziert hat. Es kann daher auch von Bedeutung sein, ob dem Verhalten des Mieters eine unberechtigte Kündigung durch den Vermieter vorausgegangen ist.

Bewusst unrichtiges Vorbringen eines Mieters innerhalb eines Mietrechtsstreits ist eine Pflichtverletzung; diese kann eine Kündigung begründen, wenn sie als erheblich anzusehen ist. Wahrheitswidriges Vorbringen ist jedoch nicht automatisch als erheblich anzusehen. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls und ggf. auch auf vorangegangenes pflichtwidriges Verhalten des Vermieters an.

Die wahrheitswidrige Aussage des Mieters zum angeblichen Gespräch der Vermieterin mit einem Kaufinteressenten ist daher nicht isoliert zu betrachten, sondern im Gesamtkontext zu sehen.

Der Mieter hat zunächst die subjektive Befürchtung geäußert, er solle „herausgemobbt“ werden. Für diese Befürchtung führte er Gründe an, nämlich die aus seiner Sicht ausländerfeindliche Haltung der Hausverwaltung und die seiner Meinung nach bestehende Verkaufsabsicht der Mieterin. Die unzutreffende Aussage, er habe ein Gespräch der Vermieterin mit einem Kaufinteressenten gehört, mag dazu gedient haben, die Vermutung zu untermauern, er solle „herausgemobbt“ werden. Im Gesamtkontext kommt der Aussage aber eher untergeordnete Bedeutung zu.

Zudem könnte die Pflichtverletzung des Mieters in einem milderen Licht erscheinen, wenn er – wie er behauptet – tatsächlich vom Hausverwalter ausländerfeindlich beleidigt worden ist. Dann würde der Gesichtspunkt des angeblich geplanten Hausverkaufs bei der Vermutung, „herausgemobbt“ werden zu sollen, noch weiter in den Hintergrund rücken. Der unzutreffenden Aussage wäre dann noch weniger Gewicht beizumessen.

Schließlich könnte dem Fehlverhalten des Mieters auch dann ein geringeres Gewicht beizumessen sein, wenn es der Abwehr einer unberechtigten Kündigung der Vermieterin gedient haben sollte.