Wo liegt die erste Tätigkeitsstätte eines angestellten Bauleiters?

Eine Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers ergibt sich nicht allein daraus, dass der Arbeitnehmer die Einrichtung nur gelegentlich zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufsuchen muss, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt.

Hintergrund

Kläger sind Eheleute, die für die Streitjahre 2015 bis 2017 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Die Kläger wohnten in W. Der Kläger war in den Streitjahren als Bauleiter bei der Y-AG, einem international tätigen Bauunternehmen, beschäftigt. Die Y-AG unterhielt eine Niederlassung in der X-Straße in Z.

Nach § 1 des Arbeitsvertrags des Klägers war sein „Einstellungsort“ in Z. Ihm stand in den Streitjahren ein Firmenwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. In ihren Lohnsteuer-Anmeldungen und den Lohnabrechnungen des Klägers berücksichtigte die Y-AG im Rahmen der Nutzung des Firmenwagens für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte die sog 0,03 %-Regelung. Ausgehend von einem Listenpreis des Fahrzeugs von 24.900 EUR und einer Entfernung von 29 km zwischen der Wohnung der Kläger und der von der Y-AG in der X-Straße in Z angenommenen ersten Tätigkeitsstätte des Klägers setzte diese insoweit einen Sachbezug in Höhe von monatlich 216,63 EUR an.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machten die Kläger bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit u. a. Werbungskosten für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte geltend. Als Ort der ersten Tätigkeitsstätte gaben die Kläger jeweils „Z“ an. Sie erklärten, der Kläger habe die erste Tätigkeitsstätte im Jahr 2015 an 215 Tagen (gemäß berichtigter Anlage N), im Jahr 2016 an 209 Tagen und im Jahr 2017 an 217 Tagen aufgesucht. Außerdem machten sie Verpflegungsmehraufwendungen des Klägers mit einer Abwesenheit von mehr als 8 Stunden an 178 Tagen im Jahr 2015 (gem. berichtigter Anlage N), an 162 Tagen im Jahr 2016 und an 168 Tagen im Jahr 2017 geltend. Zum Beleg der Verpflegungsmehraufwendungen reichten sie Bescheinigungen der Y-AG ein.

Das Finanzamt erkannte die Verpflegungsmehraufwendungen für 2015 nicht an. Die Entfernungspauschale berücksichtigte das Finanzamt hingegen erklärungsgemäß für 215 Tage. Für 2016 und 2017 setzte es die Verpflegungsmehraufwendungen demgegenüber wie erklärt an, kürzte dafür aber die Entfernungspauschale auf 47 Tage (2016) bzw. auf 49 Tage (2017).

Das FG gab der Klage statt.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass der Kläger in der Niederlassung der Y-AG in der X-Straße in Z nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügte. Das FG hat ausgehend hiervon den Arbeitslohn des Klägers zu Recht um die sich aus der Anwendung der 0,03 %-Regelung ergebenden Beträge reduziert und die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten anerkannt.

Für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten gilt nach § 8 Abs. 2 Satz 2 des EStG die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entsprechend. Kann ein Dienstwagen auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt werden, erhöht sich dieser Wert gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nach Maßgabe der tatsächlichen Benutzung des Dienstwagens für solche Fahrten. Der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG (0,03 %-Regelung) kommt nur zur Anwendung, wenn und soweit der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nutzt. Nach diesen Rechtsgrundsätzen scheidet der Ansatz eines Nutzungsvorteils nach der 0,03 %-Regelung im Streitfall aus. Denn der Kläger verfügte in den Streitjahren nicht über eine erste Tätigkeitsstätte, sodass die Nutzung des ihm von der Y-AG überlassenen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von vornherein nicht in Betracht kam.

Nach der gesetzlichen Konzeption – und der die Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts prägenden Grundentscheidung – wird die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeits(vertrag)- oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien.

Die rechtliche Würdigung des FG, in der Zuordnung des Klägers zum Bezirk der Niederlassung der Y-AG in Z nicht auch eine Zuordnung zu dem Gebäude der Niederlassung in der X-Straße zu erblicken, von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere waren die Tätigkeiten, die der Kläger der Y-AG als Bauleiter schuldete, so angelegt, dass sie jedenfalls ganz überwiegend außerhalb des Gebäudes der Niederlassung in Z zu erbringen waren. Bei dieser Sachlage kann nicht ohne weitere – im Streitfall fehlende – Anhaltspunkte angenommen werden, eine Zuordnung des Klägers zum Bezirk der Niederlassung in Z bedeute auch gleichzeitig eine Zuordnung zu dem Niederlassungsgebäude in Z. Der Kläger war der Niederlassung der Y-AG in Z vielmehr lediglich aus organisatorischen Gründen zugeordnet, ohne dass damit auch eine Festlegung des Tätigkeitsorts verbunden war. Dies stellt keine Zuordnung des Arbeitnehmers i. S. v. § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG dar.

Das FG hat dem Kläger auch den Werbungskostenabzug wegen des Verpflegungsmehraufwands zu Recht zugesprochen. Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung sind nach Maßgabe von § 9 Abs. 4a EStG als Werbungskosten abziehbar. Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist nach § 9 Abs. 4a Satz 2 und 3 EStG zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine nach Abwesenheitszeiten gestaffelte Verpflegungspauschale anzusetzen. Hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Denn liegen die Voraussetzungen des Absatz 4 nicht vor und ist der Arbeitnehmer gleichwohl außerhalb seiner Wohnung beruflich tätig, befindet er sich ebenfalls auf Auswärtstätigkeit. Nach § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG ist der Abzug der Verpflegungspauschalen allerdings auf die ersten 3 Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt. Da der Kläger – entgegen der vom Finanzamt vertretenen Auffassung – nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügte, sind die Abwesenheitszeiten des Klägers von seiner Wohnung aus zu berechnen.

Kapitalvermögen: Stellt der Ausfall eines Gesellschafterdarlehens einen Verlust dar?

Ein Darlehen eines Gesellschafters an eine GmbH stellt eine sonstige Kapitalforderung dar. Deshalb kann ein endgültiger Darlehensausfall ein Verlust sein, der einer Veräußerung der Kapitalforderung gleichzustellen ist.

Hintergrund

Der Kläger war an einer GmbH zuletzt mit 80 % beteiligt und auch deren Geschäftsführer. Der Kläger hatte der GmbH am 27.12.2015 2 unbesicherte Darlehen über 100.000 EUR bzw. 50.000 EUR gewährt. Im Jahr 2016 wurde über das Vermögen der GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet.

In der Einkommensteuererklärung 2016 machten die Kläger einen Verlust nach § 17 EStG i. H. v. 170.000 EUR geltend, der sich aus 20.000 EUR Verlust des Stammkapitals und 150.000 EUR Verlust aus Darlehen zusammensetzte. Das Finanzamt anerkannte hiervon nur 20.000 EUR als Verlust an. Mit Einspruch begehrten die Kläger zudem noch eine Bürgschaftsinanspruchnahme i. H. v. 18.500 EUR als weiteren Verlust nach § 17 EStG anzuerkennen. Der Einspruch blieb jedoch erfolglos.

Entscheidung

Das FG beurteilte die hiergegen erhobene Klage als begründet. Es führt aus, dass die vom BFH (BFH, Urteil v. 11.7.2017, IX R 36/15) angeordnete Weitergeltung der früheren Rechtsprechungsgrundsätze zu den eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen lediglich eine Option darstellt. Den Klägern steht es damit frei, die Verluste aus dem Darlehensausfall als negative Einkünfte gem. § 17 EStG im Teileinkünfteverfahren geltend zu machen oder aber wie hier, die steuerlich vorteilhaftere Berücksichtigung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu beantragen.

Zudem hat das FG klargestellt, dass auch ein Gesellschafterdarlehen den Begriff einer sonstigen Kapitalforderung jeder Art i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfüllt, sodass – bei gegebener Einkünfteerzielungsabsicht – deren endgültiger Ausfall zu einem Verlust i. S. d. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG führen kann. Dementsprechend waren 150.000 EUR als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen anzuerkennen.

Zur Umsatzsteuer bei einer Bruchteilsgemeinschaft vor dem 1.1.2023

Eine Bruchteilsgemeinschaft erbringt keine Leistungen gegen Entgelt als Unternehmer.

Hintergrund

Der Kläger war bis Oktober 2014 Alleineigentümer eines Grundstücks, auf dem sich ein Hotelgebäude befand. Das Grundstück hatte er seit 2011 an seinen Sohn umsatzsteuerpflichtig vermietet, der es für den Betrieb eines Hotels mit Restaurant unternehmerisch nutzte.

Mit Vertrag vom 20.10.2014 übertrug der Kläger das hälftige Miteigentum an dem Grundstück auf seine Ehefrau. Im Anschluss daran veräußerten die Ehegatten durch Vertrag vom 20.1.2015 das Grundstück an ihren Sohn. Einen Verzicht auf die Steuerfreiheit der Grundstücksübertragung erklärten die Ehegatten nicht.

Das Finanzamt ging davon aus, dass eine steuerfreie Grundstückslieferung beim Kläger zu einer Berichtigung des von ihm zuvor in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs gem. § 15a UStG führe. Es liege keine nach § 1 Abs. 1a UStG nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung vor. Das FA erließ am 20.3.2019 einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 22.5.2019 als unbegründet zurück.

Die dagegen erhobene Klage wies das FG ab, ohne die Revision zum BFH zuzulassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er geltend macht, dass das Urteil des FG nicht erkennen lasse, welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen für die Entscheidung des FG maßgeblich waren.

Entscheidung

Die Beschwerde des Klägers führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das Urteil des FG leidet an einem vom Kläger zu Recht gerügten Verfahrensmangel, auf dem es beruhen kann, da es nicht mit Gründen versehen ist.

Eine Entscheidung ist nicht mit Gründen versehen, wenn sie nicht erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für sie maßgeblich waren. Der Begründungszwang bezweckt, die Prozessbeteiligten über die das Urteil tragenden Erkenntnisse und Überlegungen des Gerichts zu unterrichten.

Im Streitfall ergibt sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils, dass der Kläger vor dem Streitjahr seiner Ehefrau hälftiges Miteigentum an dem Grundstück eingeräumt hatte und dass im Streitjahr dementsprechend der Kläger und seine Ehefrau das Grundstück an den Sohn geliefert hatten. Geht das FG unter diesen Umständen – und mangels jeglicher Anhaltspunkte für das Bestehen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts – nicht der Frage nach, ob sich der vom FA angenommene Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Kläger oder gegen eine aus ihm und seiner Ehefrau gebildete Bruchteilsgemeinschaft richtet, ist es in Bezug auf einen wesentlichen Streitpunkt nicht möglich, die Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.

Nach der neueren Rechtsprechung des BFH kann eine Bruchteilsgemeinschaft keine entgeltlichen Leistungen erbringen, sodass sie nicht Unternehmerin ist und stattdessen von einer anteiligen Leistungserbringung durch die Miteigentümer auszugehen ist. An dieser Rechtsprechung hält der BFH ausdrücklich fest und sieht sich insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH bestätigt. Danach ist für die Frage, wer eine entgeltliche Leistung erbracht hat, zu ermitteln, wer die wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausgeübt hat. Dies richtet sich danach, wer „eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübt und ob er das mit der Ausübung dieser Tätigkeit einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt“.

Diese Kriterien kann eine Bruchteilsgemeinschaft, deren Bedeutung sich auf die Umschreibung einer Rechtszuständigkeit beschränkt und die keine Tätigkeiten ausüben kann, nicht erfüllen. Sie ist im Gegensatz zu ihren Teilhabern (Miteigentümern), die diese Gemeinschaft bilden, weder in der Lage, eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung auszuüben noch kann sie ein mit dieser Tätigkeit einhergehendes wirtschaftliches Risiko tragen.

Im Streitfall ist danach nur dann von einem gegen den Kläger gerichteten Vorsteuerberichtigungsanspruch auszugehen, wenn er umsatzsteuerrechtlich aufgrund der geänderten BFH-Rechtsprechung auch im Streitjahr – neben seiner Ehefrau – Vermieter des Hotelgrundstücks war.

Demgegenüber folgt aus der früheren, zwischenzeitlich aufgegebenen Rechtsprechung, dass im Streitjahr umsatzsteuerrechtlich eine Vermietung – und dann Veräußerung – des Hotelgrundstücks durch eine vom Kläger personenverschiedene Bruchteilsgemeinschaft vorlag. Letzteres führte dazu, dass eine Vorsteuerberichtigung – im Hinblick auf eine dann im Verhältnis von Kläger und Bruchteilsgemeinschaft vorliegende Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG gem. § 1 Abs. 1a i. V. m. § 15a Abs. 10 UStG – bei dieser, nicht aber beim Kläger vorzunehmen wäre.

Der BFH hält es für sachgerecht, das angefochtene Urteil gem. § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, denn das Urteil des FG lässt nicht erkennen, welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen für das FG maßgeblich waren. Ob im Streitfall die frühere oder die neue BFH-Rechtsprechung der Besteuerung zugrunde zu legen ist, bestimmt sich nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO. Hierzu sind in einem zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen, insbesondere zur formellen Bescheidlage vor Ergehen des angefochtenen Umsatzsteuer-Jahresbescheids, zu treffen.

Sind Umsätze aus Geldspielautomaten von der Umsatzsteuer befreit?

Für Umsätze aus Glücksspielen mit Geldeinsatz sieht Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL keine zwingende Steuerbefreiung vor.

Hintergrund

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die von ihr betriebenen Geldspielautomaten in Spielhallen durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL umsatzsteuerbefreit sind. Das Finanzamt vertritt die gegensätzliche Ansicht.

Die vom FG gewährte Aussetzung der Vollziehung hat der BFH aufgehoben und den AdV-Antrag der Antragstellerin abgelehnt. Nach der dagegen gerichteten Anhörungsrüge der Antragstellerin war der BFH nicht auf das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses eingegangen. Auch hat der Oberste belgische Finanzhof im Hinblick auf den steuerlichen Neutralitätsgrundsatz das terrestrische Automatenspiel und das online angebotene Automatenspiel umsatzsteuerlich gleich behandelt und deshalb 2 Vorabentscheidungsersuche an den EuGH gerichtet. Würden 2 Oberste Finanzgerichtshöfe in der gleichen Steuerproblematik genau umgekehrt entscheiden, ergebe sich schon dadurch die Zweifelhaftigkeit der o. g. BFH-Entscheidung.

Über die Einsprüche der Antragstellerin gegen die Umsatzsteuerbescheide sowie über ihre Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ist noch nicht entschieden.

Entscheidung

Nach der (geänderten) Auffassung des FG sind die streitigen Umsatzsteuern nicht von der Vollziehung auszusetzen. Nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG in der Fassung ab 6.5.2006 sind die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allgemein nicht erhoben wird, nicht von der Umsatzsteuer befreit. Die Umsätze der Antragstellerin aus dem Betrieb der Geldspielautomaten unterfallen nicht dem Rennwett- und Lotteriegesetz und sind deshalb nach nationalem Recht nicht steuerbefreit. Ebenso gibt Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL keine zwingende Steuerbefreiung für Umsätze aus Glücksspielen mit Geldeinsatz vor.

Eine Ungleichbehandlung gegenüber den öffentlichen Spielbanken besteht umsatzsteuerlich seit dem 6.5.2006 nicht mehr, da diese ab diesem Zeitpunkt durch den geänderten § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG, wie die Antragstellerin als gewerbliche Geldspielautomaten-Anbieterin, ebenfalls umsatzsteuerpflichtig sind.

Auch entspricht es einer gleichmäßigen Besteuerung, dass sowohl die Umsatzsteuer auf die Umsätze der öffentlichen Spielbanken als auch bei gewerblichen Geldspielautomaten-Anbietern nach den Kasseneinnahmen bemessen wird.

Seit dem 1.7.2021 unterliegen im Internet erlaubte virtuelle Automatenspiele unter bestimmten Voraussetzungen der virtuellen Automatensteuer. Während hiernach diese Umsätze aus virtuellen Geldspielautomaten seit dem 1.7.2021 gem. § 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG umsatzsteuerfrei sind, unterfallen die Umsätze aus terrestrischen Geldspielautomaten weiterhin der Umsatzsteuer.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gebietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht, dass die Umsätze der Antragstellerin wie die der Anbieter virtueller Automatenspiele steuerfrei gestellt werden. Denn es fehlt an einer Gleichartigkeit der virtuellen und terrestrischen Geldspielautomaten, sodass nach Auffassung des FG die Umsätze nicht miteinander im Wettbewerb stehen.

Rechnungsabgrenzung erhaltener Zahlungen

Eine Schätzung der „bestimmten Zeit“ als Tatbestandsvoraussetzung für eine passive Rechnungsabgrenzung erhaltener Einnahmen ist zulässig, wenn sie auf „allgemeingültigen Maßstäben“ beruht. Daran fehlt es, wenn die angewendeten Maßstäbe auf einer Gestaltungsentscheidung des Steuerpflichtigen beruhen, die geändert werden könnte.

Hintergrund

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Sie gehört zu der in der Immobilienbranche tätigen A-Unternehmensgruppe. Innerhalb dieser Gruppe übernimmt sie die für die erfolgreiche Umsetzung geplanter Bauvorhaben erforderlichen Projektentwicklungsmaßnahmen und schließt dazu mit Projektgesellschaften der A-Gruppe Projektentwicklungs- und -durchführungsverträge ab. Für ihre Leistungen erhält sie als Regiekosten bzw. Regieerlöse bezeichnete Honorare, die Teil der für das jeweilige Objekt kalkulierten Gesamtinvestitionskosten oder Verkaufspreise sind. Die Regiekosten sind verteilt auf die voraussichtliche Laufzeit des jeweiligen Projekts in regelmäßigen Raten zu zahlen.

Im Streitjahr war die Klägerin an der Entwicklung von 12 großen Bauprojekten beteiligt. Die Vergütung der Klägerin für die mit Abschluss dieses Vertrags übertragenen Tätigkeiten (Leistungen der Klägerin für Projektentwicklung, technische und wirtschaftliche Projektbetreuung) bestand nach den Projektverträgen in einem pauschalen Tätigkeitshonorar. Das pauschale Tätigkeitshonorar wurde in monatlichen Raten fällig. Die Auszahlung der Monatsraten erfolgt jeweils am Ende eines Quartals für die Monatsraten des jeweiligen Quartals. Die Höhe der monatlichen Raten ergab sich aus einem Zahlungsplan.

Die Klägerin nahm in ihrer Gewinnermittlung für das Streitjahr eine passive Rechnungsabgrenzung von 5.028.080,21 EUR vor, der eine Aufteilung der von der Klägerin zu erbringenden Leistungen in 5 Phasen zugrunde lag, während derer ein in einem Prozentsatz darzustellender Anteil der Gesamtleistung zu erbringen war. In einer u. a. für das Streitjahr durchgeführten Außenprüfung beanstandete der Prüfer den gebildeten passiven Rechnungsabgrenzungsposten. Es fehle der erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen den in den Projektverträgen zugrunde gelegten Zahlungsplänen und den durch die Klägerin zu erbringenden Leistungen. Die Leistungsermittlungen beruhten nur auf Schätzungen der Klägerin, deren Grundlagen nicht bekannt seien. Es sei allerdings von einem Erfüllungsrückstand der Klägerin zum 31.12.2008 auszugehen, der auf 2,5 Mio. EUR geschätzt werde; insoweit sei eine Rückstellung zu bilden.

Das Finanzamt folgte dem Bericht des Prüfers und erließ einen entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2008. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht wies die daraufhin erhobene Klage als unbegründet ab.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

  • 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG und § 250 Abs. 2 HGB sollen gewährleisten, dass ein vom Steuerpflichtigen vorab vereinnahmtes Entgelt entsprechend dem Realisationsprinzip erst dann – durch Auflösung des passiven Rechnungsabgrenzungspostens – erfolgswirksam wird, wenn der Kaufmann seine noch ausstehende Gegenleistung erbracht hat. Da das bezogene Entgelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es „Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag“ darstellt, muss jedoch eine Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen. Für eine bereits vollzogene Leistung darf eine Rechnungsabgrenzung nicht erfolgen.

Wegen der für eine Rechnungsabgrenzung nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG erforderlichen zeitlichen Zuordenbarkeit des Entgelts („bestimmte Zeit“) muss die noch ausstehende Gegenleistung zeitbezogen oder periodisch aufteilbar sein. Als Zeitmaßstab kann daher nur eine Größe anerkannt werden, die – wie etwa ein kalendermäßig festgelegter oder berechenbarer Zeitraum – nicht von vornherein Zweifel über Beginn und Ende des Zeitraums aufkommen lässt. Individuelle Schätzungen der Dauer der Gegenleistung hat die Rechtsprechung daher nicht als ausreichend angesehen, wohl aber eine Schätzung aufgrund allgemeingültiger Maßstäbe. Danach ist die Entscheidung des FG, die von der Klägerin im Streitjahr erhaltenen Honorarzahlungen stellten in dem von ihr abgegrenzten Umfang nicht Ertrag für eine „bestimmte Zeit“ nach dem Bilanzstichtag dar, nicht zu beanstanden. Auch die zeitliche Zuordnung der erhaltenen Zahlungen durch die Klägerin genügt nicht den Anforderungen an die Bildung eines passiven RAP, da es sich um nicht hinreichend kontrollierbare Schätzungen der Klägerin handelt.

Im Ergebnis zutreffend hat das FG es auch abgelehnt, die im Streitjahr erhaltenen Honorare in dem von der Klägerin begehrten Umfang als erhaltene Anzahlungen zu passivieren. Eine Passivierung erhaltener Anzahlungen auf Bestellungen ist dort vorzunehmen, wo Vorleistungen auf eine zu erbringende Lieferung oder Leistung erfolgen. Als Leistung kommt hierbei auch eine Dienstleistung in Betracht. Eine Vorleistung ist dann nicht mehr anzunehmen, wenn der Anspruch, auf den geleistet wird, rechtlich bereits entstanden ist.

Das Ziel der Passivierung einer Anzahlung, ein vereinnahmtes Entgelt erst dann erfolgswirksam zu erfassen, wenn es durch Erbringung der dafür noch ausstehenden Gegenleistung realisiert ist, ist zwar mit dem Zweck eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens vergleichbar. Anders als ein Entgelt, für das ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden kann, ist eine zu passivierende Anzahlung jedoch weder selbst auf einen bestimmten Zeitraum bezogen, noch hängt ihre Bilanzierbarkeit von einer zeitraumbezogenen Gegenleistung ab. Handelt es sich also bei der Leistung, für die die Zahlung erfolgt, um eine zeitraumbezogene und keine zeitpunktbezogene Leistung, kann die Passivierung der Zahlung nur im Wege eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens nach Maßgabe des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG, nicht aber als Anzahlung passiviert werden.

Festsetzung von Verspätungszuschlägen: Zur Ermessungsausübung des Finanzamtes

Haben sich durch die Herabsetzung der Steuer die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Umstände geändert, ist die Finanzbehörde von Amts wegen verpflichtet, neue Ermessensentscheidungen zu treffen.

Hintergrund

Die Klägerin hatte für die Jahre 2016 und 2017 keine Steuererklärungen eingereicht. Das Finanzamt schätzte daher die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO und erließ unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Bescheide. Zugleich setzte das Finanzamt Verspätungszuschläge fest. Die Klägerin legte Einspruch ein und nahm auf die dem Finanzamt am gleichen Tag auf elektronischem Weg übermittelten Steuererklärungen Bezug.

Nach der Durchführung der Einspruchsverfahren gegen die Steuerbescheide und Verspätungszuschläge, bei denen das Finanzamt lediglich den Verspätungszuschlag für das Jahr 2016 herabsetzte, hat die Klägerin Klage erhoben. Das Finanzamt hat daraufhin die Steuer in den nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheiden für 2016 und 2017 erklärungsgemäß festgesetzt. Die bisher festgesetzte Verspätungszuschläge ließ es unverändert bestehen.

Die Klägerin verfolgte ihre Klage bezüglich der Verspätungszuschläge weiter. Sie war der Meinung, es sei rechtswidrig, Verspätungszuschläge nicht neu zu bemessen, wenn im Rahmen des Klageverfahrens die Steuer herabgesetzt werde.

Entscheidung

Das FG hat entschieden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung von Verspätungszuschlägen für 2016 und 2017 zwar vorgelegen hätten, jedoch habe das Finanzamt sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.

Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 Satz 1 AO und § 152 Abs. 1 Satz 2 AO (alte Fassung) erfüllt, hat das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es einen Verspätungszuschlag festsetzt (sog. Entschließungsermessen) und wie hoch es ihn unter Beachtung der gesetzlichen Grenzen des § 152 Abs. 2 AO alte Fassung festsetzt (sog. Auswahlermessen).

Die Klägerin habe ihre Steuererklärungen für 2016 und 2017 nicht innerhalb der gesetzlichen Abgabefristen abgegeben. Das Finanzamt habe daher Verspätungszuschläge festsetzen dürfen. Die Festsetzungen der Verspätungszuschläge in den geänderten Steuerbescheiden seien jedoch ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, denn im Falle der Herabsetzung der festgesetzten Steuer, auf die sich der Verspätungszuschlag bezieht, habe der Betroffene einen Rechtsanspruch auf wiederholte Prüfung. Das Finanzamt sei von Amts wegen verpflichtet, eine vollständig neue Ermessensentscheidung zu treffen, denn durch die Herabsetzung der Steuerschuld hätten sich die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Umstände geändert, sodass die Festsetzung des Verspätungszuschlags rechtswidrig geworden sei. Das Ergebnis der Überprüfung sei dem Betroffenen mitzuteilen und zu begründen.

Der jeweilige Hinweis in den geänderten Steuerbescheiden, der bisher festgesetzte Verspätungszuschlag bleibe unverändert bestehen, beinhalte zwar die Ablehnung einer (weiteren) Herabsetzung der Verspätungszuschläge. Darüber hinausgehende Erläuterungen zur Ausfüllung des bestehenden Ermessens zum jeweiligen Verspätungszuschlag enthielten die Festsetzungen aber nicht, obwohl solche Erläuterungen für die Darlegung etwa angestellter Ermessenserwägungen erforderlich seien.